Die Schule der Nacht
ihnen nicht anders gehen.«
»Hoffentlich nicht!«
»Na schön, ich sag dir, was du tun musst – es nennt sich ›positive Visualisierung‹.«
»Was?«
»Ich weiß, dass es verrückt klingt, aber vertrau mir einfach, okay?«
Aprils Mutter stand auf, legte ihrer Tochter die Hände auf die Schultern und sah ihr tief in die Augen.
»Mum…« April kicherte nervös und versuchte, sich loszumachen.
Aber ihre Mutter ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Schließ die Augen und konzentriere dich.«
April stöhnte, machte aber brav die Augen zu.
»Gut, und jetzt stell dir ein Idealbild von dir selbst vor. Mach dich in deiner Vorstellung noch hübscher und klüger, als du es sowieso schon bist. So sexy, dass dir kein Mann widerstehen kann.«
»Das könnte eine Weile dauern«, murmelte April mit schiefem Lächeln.
»Mach dich nicht so schlecht, Schatz. Versuch es doch erst einmal. Okay… hast du das Bild vor dir?«
April nickte. Vor ihrem inneren Auge sah sie sich als Femme fatale in einem langen schwarzen Kleid, die Haare kunstvoll hochgesteckt, ein funkelndes Brillantencollier um den Hals – ein bisschen wie Audrey Hepburn in Frühstück bei Tiffany .
»Gut, wo bist du?«
»An der Côte d’Azur. Ich schlendere die Strandpromenade entlang und verursache einen kleinen Verkehrsstau.«
Ihre Mutter lachte. »Wunderbar. Und jetzt kommt dir ein junger Mann entgegen – wer ist es?«
»Robert Pattinson.«
»Was hat er an?«
»Eine marineblaue Cabanjacke.«
»Interessant. Trägt er sonst noch etwas bei sich?«
»Er hat ein Geschenk für mich dabei.«
»Sehr gut. Was ist es?«
»Eine Schachtel Schokoladen-Eclairs.«
»Gut! Okay, was macht ihr beiden jetzt? Aber vergiss nicht, dass ich deine Mutter bin, also sag jetzt bitte nichts, das mich zum Erröten bringt.«
»Wir schlendern am Strand entlang, unterhalten uns und essen die Eclairs.«
»Und dann?«
»Dann bleibt Robert stehen, bückt sich und sammelt ein paar hübsche Muscheln für mich, einfach so, weil er mir eine Freude machen will.«
»Fantastisch. So, und jetzt prägst du dir diese Bilder so gut ein, dass du sie nie wieder vergisst. Wenn du fertig bist, kannst du die Augen wieder aufmachen.«
April blinzelte ein paarmal und sah ihre Mutter dann erwartungsvoll an.
»Das war’s.«
»Das war’s? Und das soll jetzt alle meine Probleme lösen?«
»Wenn du in Zukunft wegen eines Jungen traurig bist, rufst du einfach diese Bilder in dir hervor und erinnerst dich wieder daran, wie umwerfend sexy du bist und dass du einen Jungen verdienst, der dich glücklich machen kann.«
»Aber wenn er nicht anruft, kann er mich auch nicht glücklich machen.«
»Aber genau das ist doch der Punkt, Liebes. Wenn er nicht anruft, ist er sowieso nicht der Richtige für dich, sondern ein Schwachkopf.«
Aprils erster Impuls war, Gabriel in Schutz zu nehmen, aber dann wurde ihr klar, dass ihre Mutter vermutlich recht hatte. Er war derjenige, dem etwas entging, wenn er sich nicht bei ihr meldete.
»Danke, Mum«, sagte sie und umarmte sie fest. »Du hast zwar ziemlich seltsame Methoden, aber mir geht’s tatsächlich schon ein bisschen besser.«
Ihre Mutter lächelte. »Männer sind ziemlich leicht zu durchschauen. Sie wollen immer das, was sie nicht haben können. Du musst sie nur davon überzeugen, dass du das bist, was sie haben wollen.«
April nickte. »Dann verzieh ich mich jetzt mal wieder in mein Zimmer.« Sie griff nach dem Becher mit der heißen Schokolade und wandte sich zum Gehen.
»Ach, April?«, sagte ihre Mutter, als sie gerade die Tür hinter sich schließen wollte. »Er wird anrufen. Sie rufen immer an.«
Das hab ich heute schon mal gehört. Warum sind sich da alle bloß so sicher?
Fünfzehntes Kapitel
K lick.
Klick-Klack.
Klick.
April schlug erschrocken die Augen auf und sah sich blinzelnd im Zimmer um. Was war das? Hatte sie das Geräusch eben wirklich gehört oder es nur geträumt? Bevor sie sich ins Bett gelegt hatte, hatte sie Fiona per Mail noch kurz auf den neuesten Stand gebracht und dann vergessen, den Laptop auszuschalten, sodass die blau-weißen Kreisel des Bildschirmschoners den Raum nun in ein gespenstisches Licht tauchten.
Klick.
Klick-Klack.
Einen Moment lang war es still, dann ertönte das seltsame Klickgeräusch erneut, und April hörte, wie jemand unten auf der Straße einen unterdrückten Fluch ausstieß.
Okay, das konnte sie nun wirklich nicht geträumt haben. Sie sprang aus dem Bett, rannte zum Fenster und spähte
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