Die Schule der Nackten
weiter auseinandergenommen, wohl drei bis vier Spannen weit, und jetzt sah ich auch, warum: Das war ein außerordentlich großes Genital, das für sich genommen sehr viel Platz brauchte, es war abgesetzt in zwei dicke äußere Schamlippen, und die inneren waren auch nicht gerade dünn, sie waren wie zwei Blasebälge. Darum! Ich sah jetzt, daß auch Margot etwas gesehen hatte, sie ließ den Diderot sinken, sandte mir dann einen Blick zu, den ich lieber meiden wollte. Ich zog ein Magazin hervor und war lange Zeit damit beschäftigt, nicht nur das Kreuzworträtsel auf Seite vier zu lösen, sondern auch noch das amerikanische Kreuzworträtsel, das sehr viel schwerer zu lösen ist, weil es keine schwarzen Felder vorgibt, nur die Anzahl der Buchstaben.
Was nicht viel bewirkte. Denn inzwischen hatte die Dame ihre Schenkel so weit auseinandergenommen, daß es nun ganz klar war: Dieses war das größte weibliche Genital, das jemals in einem öffentlichen Bad gezeigt wurde, und es war ganz klar, daß in praktisch jeder Position es der Dame schwerfallen dürfte, dieses zu verbergen. Und das tat sie denn auch nicht. Wie es ausging? Es ging gar nicht aus, nach zwei Stunden packte die Dame ihre Sachen zusammen und ging heim. Nur die Margot mit ihrem Diderot gab sich für den Rest des Nachmittags etwas reserviert. Nicht ostentativ, aber vielleicht hatte ich doch einmal zu häufig hingeschaut.
*
Und das sollte auch das Ende gewesen sein.
Wenn nicht am nächsten Tag - es war vormittags um zehn, ich weiß es - ein Schatten auf mich gefallen wäre, im Verein mit einem abrupten Luftzug, der mir bekannt schien, und dann erblickte ich plötzlich zwei Fußsohlen, diesmal aber mit den Fersen nach oben gerichtet. Ich vergewisserte mich: Die Dame Margot neben mir las Götz Kraffts «Die Geschichte einer Jugend» und blickte nicht auf, die Dame vor mir hatte rosige, gekerbte, an den Ballen gelblich harte Fußsohlen. Dazu fiel mir ein, daß es bei den Japanern zum Beispiel als beleidigend gilt, jemandem die Fußsohlen zu weisen.
Und doch war die Situation eine andere. War gestern die Lücke die einzige vorhandene gewesen, so hätte sich an diesem Morgen die Dame ohne weiteres woanders ausbreiten können, ja, weiter unten gab es sogar noch einen Platz in der ersten Reihe. Warum also gerade hier? Und so dicht? Später am Vormittag schlossen sich die Reihen, und da fiel es nicht mehr auf, aber jetzt sandte mir Margot einen Blick zu! Ich sagte: Dafür kann ich nichts. Sagte ich natürlich nicht, anscheinend hatte die Dame einen festen Platz gefunden.
Sie öffnete dann die Beine, und da sie auf dem Bauch lag, bildete ihr sehr großes Genital zwischen den Gesäßbacken eine Tüte, anders kann ich es nicht beschreiben, es war tatsächlich eine nach oben offene Tüte, die sich da entfaltete. Ein Gebilde, bestehend aus den dickeren Teilen, die aber jetzt nach unten hin eine Brücke formten, ein großes U, in dessen Grund sich eine kompliziert gebuckelte Anatomie mit einem - ich weiß, ich bin etwas zwanghaft - daumenförmigen Anhängsel befand. Ich glaube, es war der Kitzler. Margot klappte mit einem Knall ihr Buch zu.
Ich ging jetzt erst einmal ins Wasser. Schwamm die ganze Länge und kehrte zurück. Von hier aus war der Anblick nicht ganz so dramatisch, der Winkel war ein anderer. Margot hatte ihr Buch wieder aufgenommen, die andere Dame hatte sich inzwischen auf den Rücken gelegt, und ich registrierte, daß sie ihre Oberschenkel wie zwei Schirme rechts und links hochgestellt hatte, so daß das Ganze doch sehr viel privater aussah, jedenfalls nicht so verboten wie aus der Frontalsicht. Ich will sagen: Man konnte sich doch ganz gut heraushalten. Deshalb schwamm ich noch eine Länge und zurück, nahm dann wieder meinen Platz ein, Margot kehrte mir auf Dauer den Rücken zu. Und so ging das Ganze aus: Nach zwei Stunden packte die Dame ihre Sachen und verschwand. Sie war übrigens bis in die Tiefe durchgebräunt, vollständig, ja, und sorgfältig rasiert, das wollte ich zum Schluß noch erwähnt haben.
*
Doch der darauffolgende Tag - es war wieder ein Samstag - begann mit einem Eklat. Ich lag friedlich auf meinem angestammten Platz und sonnte mich, Margot war noch nicht erschienen, also hielt ich einen Platz frei. Döste vor mich hin und dachte sozusagen an nichts Böses, als plötzlich dicht neben mir eine ganz hohe Stimme brüllte, eine Fistelstimme:
«Du Spanner! Hab’ ich dich, du Spanner!»
– – –
«Kommst her, legst dich hin und
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