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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
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Erinnerungen?»
    «Die keine sind.»
    «Die aber immer mit großer Realität daherkommen…«
    Hier wiegt er - der bessere Herr - den Kopf.
    «… während andererseits die Tatsache, daß wir in diesem Augenblick mitten in München auf unseren nackten Hintern liegen - denn das ist ja wohl eine Tatsache -, doch reichlich unwirklich erscheint. Wie Sie zugeben müssen.»
    Es ist natürlich nur ein poetisches Gespräch, das wir hier führen. Schatten wandern, Leiber stellen sich in einer Ideallandschaft dar. Nach den zurückliegenden Irrungen und Wirrungen ein ruhiger Moment im Jakobi-Bad.
    «Vielleicht eine archaische Erinnerung», gebe ich zu bedenken, «eine Erfahrung aus der Gesamtexistenz. Wer weiß. Sicherlich hat jeder Gegenstand, auch der trivialste, der uns in diesem Leben begegnet, seine Bedeutung. Zum Beispiel dieser Korb mit den Badetüchern dort hinten, der etwas zur Seite geneigt ist.»
    «Sie meinen, weil er zur Seite geneigt ist?»
    «Sicherlich.»
    Wir betrachten den Korb, drüben schlägt eine Glocke vom Turm, es weht uns aber nichts an, keine Bedeutung, kein Unbehagen und auch kein Behagen.
    «Vielleicht nicht uns, vielleicht einen anderen, mit anderen Erinnerungen, wer weiß, aus einem anderen Leben, den mag es vielleicht anwehen. Was wissen wir denn.»
    «Sind Sie Schriftsteller?» fragt er.
    Ich verneine lächelnd: «Nein, ich schreibe ein wenig.»
    «Das erklärt es.»

    *
    «Hab’ ich Sie, Sie Spanner!»
    Der Schreckensruf, der alles veränderte.
    Die Unschuld, die Freude, die Arglosigkeit, ja, es veränderte eine ganze intakte Münchner Badewelt. Jedesmal, wenn ich an dem Menschen vorbeiging - denn ich mußte vorbeigehen -, hörte ich ein eigenartig keckelndes Geräusch: Keckelkeckel. Ich wußte nicht, ob er mich meinte, aber es war eigenartig genug. Jeden Augenblick konnte es mir passieren - wie jedem anderen auch -, daß er mich für den Spanner der Woche hielt. Sogar sein Genital war viereckig, der Mann hatte einen eindeutig viereckigen Eiersack, und diese grobe Bezeichnung erschien durchaus angebracht, man wagte kaum hinzuschauen.
    Und noch etwas! Wenn man im Vorbeigehen einen Blick riskierte, dann lagen da sechs längliche Pillen aufgereiht. Auf einem Pappdeckel, es sah wie ein Tagesbedarf aus. Weiterhin lagen da eine zusammengerollte Decke, ein altes Kochgeschirr, ein quadratisches Kissen, mehrere Stöcke, deren Zweck ich nicht erkennen konnte, und ein Feldstecher. Als Unterlage diente eine Militärplane, graugrün gescheckt. Und nach einer Stunde - man kann sich denken, mit welcher Vorsicht man einen weiteren Blick riskierte - lagen da nur noch fünf Pillen.
    Ein Anstaltsinsasse? Ein Epileptiker, ein Mann, der zu allem fähig war? Ich sah, daß er sein Gebiß nicht trug, es ruhte in einem zerbeulten Becher neben dem Pappdeckel. Untermann, du meine Güte, wohl eher Untermensch für alles mögliche! Einmal schaute ich ihn streng an, da erheiterte er sich.
    Und überhaupt.
    Ich bin kein Mann, der nackten Mädchen nachlauert. Ehrlich gesagt, sie sind mir zu glatt, junge Mädchen sind mir zu plan. Viel zu sachlich, sie tragen kein Geheimnis, ihre Körper erzählen mir keine Geschichte. Ich weiß nicht, ob das abwegig ist, ich vermisse bei ihnen die Dunkelheit, die Schrunden, tut mir leid. In angezogenem Zustand, ja, da schaue ich sie mir durchaus an, weil es erstaunlich ist, mit wie wenig Handgriffen sie es fertigbringen, sich vollständig zu verunstalten. Die steifen Röhrenhosen, die Hemden, die Zossen, manche tragen Goldnieten in der Nase und angeschraubte Oberlippen, vor allem das Schuhwerk ist überwältigend, tonnenschwere Klumpfüße, mit denen sie herumlaufen. Aber nackt?
    Man wird denken, der Mann ist abgesagt, der Mann zählt nicht mehr. Da muß ich aber leider widersprechen. Ich stelle mich auf die Waage und habe schöne vierzehn Pfund abgenommen, jawohl, durch das tägliche Schwimmen! Ich stelle mich vor den Spiegel, da schaut ein neuer Mensch heraus, tiefbraun und sehnig, mein Gott, denke ich, welch ein gutaussehender Bastard, welch lean-mean-fightingmachine, kaum auszuhalten.
    Obwohl einmal - und nur, um es zu beweisen oder das Gegenteil zu beweisen - liege ich neben dem süßesten Geschöpf der Welt, atemlos vor Entzücken. Höchstens siebzehn ist sie, und sie ist wie Milch und Blut, wie Honig und Blut, hat ganz glatte Glieder, einen ganz glatten honigfarbenen Leib, auf dem die Brüstchen wie kleine runde Tassen aufgesetzt sind und auf diesen wiederum die winzigen Täßchen der

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