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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
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und sie beugte sich über mich. Ich weiß es ganz genau, es war der Duft der Güte, der mich erregte, der sicherlich auch noch sehr teuer gewesen ist, «Fleur de Lis» oder so etwas - mein Freund Charlie hätte gesagt: Und wie stehst du denn da!

    *

    Einen Platz in bester Lage. Am Pool.
    Aber auch sonst hatte ich gewisse Annehmlichkeiten. Zum Beispiel brachte sie zwei Piccolo mit oder Brüsseler Weintrauben im Eispack, oder ein elegantes Sortiment Salat, das wir dann - mit Blick auf den Pool - zusammen verzehrten. Sie hieß Margot (sprich: Margo).
    «Wie ist Ihr Name? Nein, lassen Sie mich raten, Vanessa?» Ein Spiel, das sich in alle Ewigkeit spielen ließe, Korinna? Viola, Etienne, Etianne, Maja? Auf Margot wäre ich nie gekommen, sie war eigentlich eine Lisa.
    Bisweilen traf ich als erster am Morgen ein, reservierte dann meinerseits für sie einen Platz, und wenn sie in der bunten Menge oben am Eingang erschien, fiel sie sofort durch ihr elegantes Graubeige auf, sie trug unerhört simpel geschnittene Kittelkleider bis zu den Knöcheln aus einem, ja, unerhört simplen Material.
    «Kommen Sie oft her - ?» Das Spiel ließe sich auch in alle Ewigkeit weiterspielen. Sie legte ihr Kittelkleid ab, ihre kubisch gearbeitete Badetasche, dann ihre Sandalen aus bindfadendünnem Lederwerk. Ihr Badetuch, das, wenn nicht mit Trompeten dekoriert, planweiß war, mit marineblauer Kante. Das breitete sie dann neben mir aus, und es war eine Freude, sie das Tuch ausbreiten zu sehen. Sie hatte sehr gepflegte schlanke Glieder, nicht lang, aber länglich, äußerst delikate Knie und Knöchel und einen sanften Glanz, der eine teure Lotion verriet (gepflegter kann ich mich nicht ausdrücken). Und mit einem kurzen Blick: Einen äußerst gepflegten schlanken Venusbereich hatte sie, leicht gebräunt.
    So ging es in den Juli hinein, eine angenehme Affäre, die sich wahrscheinlich noch unendlich lange hätte fortsetzen können. Nur daß die Bücher wechselten, sie las jetzt den Diderot, nur daß sie etwas Gewicht zulegte. Und daß ich die nächsten zehn Jahre allzu genau kannte, die Zweitwohnung in der Schellingstraße, den naturfarbenen Noppenboden, Kaffee im Luitpold, Essen im Tantris, ihre frühere Ehe mit Heinz, und wahrscheinlich hatte sie einen zwanzigjährigen Sohn, der in Göttingen studierte. Oh, es wäre vielleicht nicht schlecht gewesen. Möglicherweise wären wir sogar gemeinsam und eng verbunden nach Indien gereist, nach Delhi oder an die Malabarküste. Und alles noch in diesem Leben, es wäre immerhin eine Möglichkeit gewesen. Und dann doch nicht.
    Denn hier kam sie, die Dame mit der Tüte.

4

    Oh, das war verboten. Mein Gott, war das verboten. Ich sah sie flüchtig von fern, wie sie an der Schleuse stand, war wohl gerade hereingekommen und sondierte das Gelände. Überhaupt nicht mein Fall. Untersetzt stand sie da auf ihren Standbeinen, Kinnlade vorgeschoben, Backenknochen heraus, große Oberlippe. Ich sah sie dann noch einmal, wie sie auf den Pool zuging und ihre Standbeine vor sich herpflanzte. Abrupt hierhin und dorthin blickend. Ende der Vorstellung.
    Und dann nach einer Weile, als ich etwas schläfrig dalag, spürte ich einen Luftzug am Kopfende. Da hatte die Dame dicht vor mir eine Lücke entdeckt und breitete gerade ihr Tuch aus, und zwar ziemlich abrupt, indem sie es auch noch kräftig ausschüttelte, ziemlich kraftvoll. Legte sich hin, schob die Kinnlade vor und zeigte mir die Fußsohlen dicht vor meinem Kopf.
    Wie es so ist, bei der Enge.
    Margot blickte kurz von ihrem Buch auf, es war inzwischen Diderots «Neffe des Rameau», ich konnte sie nur bewundern, daß sie das las. Blickte auf und las weiter. Ich studierte dann eine Weile lang die Wolkenformationen, kompakte, kugelige Gebilde mit flacher Unterseite, harmlos in Abständen über München segelnd. Gerade hatte eines einen runden Schatten über das Schwimmbecken hinweggezogen, als ich einmal kurz zu den Fußsohlen aufblickte. Da waren sie etwas auseinandergenommen. Nicht viel, aber genügend, daß in der Verlängerung ein Genital sichtbar wurde, nur ein Teil, aber deutlich und insofern auffällig, als sich in dieser Position normalerweise nicht viel zeigen kann. Nichts zeigen kann. Dachte ich bei mir.
    Studierte mit etwas Besorgnis die Wolkenformation, die sich im Westen aufgebaut hatte, auch die Wolkenformation im Osten, und dann konsultierte ich die große Uhr über dem Pool: Wie spät es sein mochte.
    Aber als ich wieder hinblickte, hatte sie die Füße

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