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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
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rosa Nippelchen. So sieht das aus. Auf dem langen, ganz glatten Hals ein Köpfchen, o mein Gott, ein Köpfchen mit dem süßesten Vorwurf der Welt. Und ich, jetzt sieht man das Bild wohl deutlich, völlig atemlos, versuche, mich nur ganz zart, ganz langsam zu bewegen, um das ungla ubliche Geschöpf nicht aus meiner Nähe zu verscheuchen…
    Als ein Seufzer durch die Menge geht.
    Läuft doch plötzlich dieser entsetzliche Mensch an mir vorüber und grinst mich verkehrt herum an. Er grinst wie? Verkehrtherum, verkehrtherum. Läuft doch dieser Vierschrat zu meinem und aller Entsetzen hurtig auf den Händen, was er ja als Untermensch gelernt haben wird, viel umfallen kann er sowieso nicht bei seinen Dimensionen, genauer gesagt, gar nicht. Kommt gelaufen und grinst, was hätte einen danach noch bedrohen können! Keckelkeckel.
    Außerdem langweilen mich nackte Mädchen zu Tode.

    *

    Da lobe ich mir den Klub der alten Frauen. Hier nachträglich meine Bewunderung für ihre Heiterkeit, Einsicht und unbegrenzte Lebensdauer!
    Es gab am unteren Ende des Pools eine Aussparung im Buschwerk, an sich für jeden zugänglich, aber meist schon am frühen Morgen besetzt. Und auch ich fand nur Zutritt, weil mir die Damen an einem besonders überfüllten Samstag Platz einräumten.
    Diese alten Damen waren erstaunlich. Ausschließlich Bewohner eines Altersheims, das, von außen nicht als solches erkennbar, sich gegenüber dem Haupteingang auf der anderen Straßenseite vom Jakobi-Bad befand. Frau Lempe zum Beispiel verdiente meine volle Bewunderung, sie schwamm täglich eine ganze Stunde lang die Beckenlänge auf und ab, fünfzig Längen auf und ab, braun und zäh, ein unverwüstlich treues Kanu aus Bisonleder. Angeblich war sie einmal deutsche Schwimmmeisterin gewesen (ich liebe die drei «m»), vor hundert Jahren. Oder vor zweihundert Jahren. Aber wenn sie auftauchte und das nasse Element von ihren gegerbten und gewalkten Schultern schüttelte, dann war sie wie eine ganze Zeitepoche, die da aus dem Wasser stieg. Hallo! Mit ihren rekordschweren Gesamtmeilen, die sie bewältigt hatte, die bewundernswürdige Frau Lempe.
    Oder Frau Wieland. Gott segne dich, Frau Wieland. Sie bestand nur aus Runzeln, niemals im Leben hatte ich so viele Runzeln an einem Platz gesehen. Man kennt die delikate, hochgeehrte Haut der alten Damen, die sich zartblaß eintausendmal in haarfeine Falten gelegt hat, und man kennt sie bis zu den weißen Krägelchen. Man denkt, hier endet die Dame. Hier endet sie aber nicht.
    Frau Wieland kam meist später am Morgen, weil sie sich etwas mehr Schlaf gönnte. Und wenn sie kam, dann war sie ein zwitscherndes Vögelchen, erzählte mit ganz hoher Stimme von der Marmelade, die sie gegessen hatte, und dem Löffel Honig in der Milch. Kaffee trank sie keinen, dafür einen Tee mit merkwürdigen Beimischungen, Schafsminze, Pfenningkraut, das war alles so wichtig am Morgen, daß jeder genau hinhörte. Bis sie sich dann ausgezogen hatte, und da war sie das reinste Wunder.
    Denn unterhalb des Krägelchens setzte sich das delikate Netzwerk der feinen und feinsten Runzeln tausendfach fort, zehntausendfach. Was sage ich, Runzeln? Sie war eine kostbare Klöppelarbeit, jeder Zentimeter. Die Knie, die Oberschenkel, die Bauchhaut waren feinste Brüsseler Spitze, und der Rücken mit dem geraden Gesäß reinstes bestes Kroningen, sogar formal symmetrisch ausgelegt. Ich sehe, ich gerate ins Abstrakte, aber das war es auch, ein wirklich gutes Blatt, würde der Kunstkenner sagen.
    Wenn sich Frau Wieland schließlich niedergelassen hatte, immer im Halbschatten der Büsche - weshalb sie auch nur ganz zart getönt war -, dann trug sie ihr Sonnenschutzmittel auf. Oh, das war jedesmal ein Ereignis. Sie strahlte uns an und verkündete, «sodela, jetzt schmier’n wir uns ein», benutzte dazu eine dickflüssige Emulsion, die sie erst milchig-weiß aussehen ließ, dann transparent und im Endeffekt hochglä nzend wie ein geputzter Stiefel. Hob das Bein, hob den Arm, wälzte sich herum und rieb das Gesäß ein, die beiden papierdünnen Brüste, Schultern und Nacken. Auch die prekären Stellen. Und weil es so schön war, rieben wir uns gleich mit ein, du und ich und alle miteinander. Eine Einschmierorgie im Klub.

    *

    Sexy? Natürlich waren sie sexy, man sollte es nicht für möglich halten, immerhin hatten manche bald die neunzig erreicht. Alle Damen waren sexy. Hier wurde streng sexy durchsonnt, durchbräunt und absolut unbewegt gelegen, sechs, acht, sogar

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