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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
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Lingam wächst aus meinem eigenen Tempel, er ist wie die Deichsel eines Wagens, mit dem es vorangeht.
    Vielleicht will der Priester, daß wir ihn uns abschneiden, alle, damit seiner als einziger riesiger übrig bleibt. In der großen Höhle. Ich habe ihn nie gesehen, aber man sagt, er sei über und über mit Butter beträufelt wie ein Chapatti, das in den Ofen soll. Drüben vom Dorf her trägt der Wind das Rasseln und Gellen herüber, mit dem sie die Pilger wachhalten, mich erreichen sie nicht.
    Ich brauche sie nicht.
    Denn ich halte Sita im Arm, die Schöne, die Leuchtende, die Immerwiederkehrende, und die Zeit rinnt.

    *

    Als ich aufwache, steht eine Glaswelt vor dem Fenster, ein unglaublich klar gezeichneter Himmel mit präzisen Punktwolken, es herrscht Föhn! An diesem Tag kann alles geschehen, an diesem Tag kommt sie…
    Ich muß dazu etwas weiter ausholen. Es ist dies eine eigenständige Wetterlage für München, ein warmer Fallwind von Süden her, der die Gemüter mit drastischen Fernblicken beglückt und auch bedrückt, beides zugleich. Die Schneealpen bis hinauf nach Ötz und Ziller stehen sengend scharf über dem Marienplatz, das Führerhaus am Obersalzberg als Ansichtskarte, die lange Kette des Wilden Kaiser unmittelbar über dem Kaufhaus Beck, das heißt, man muß schon hinauf auf den St. Peter, um sie zu sehen. Auch so eine Eigenheit Münchens, der «Alte Peter» steht da wie ausgesägt, von vorn breit und hoch mit einer gehörigen Barockkuppel, von der Seite gesehen jedoch platt wie eine Pappscheibe, und die Kuppel wie ein dünnes Würstchen. Davor haben sich die Kräuterweibl postiert. Noch eine Eigenart. Mit neun Röcken über den von Haus aus stattlichen Unterbauten, und sie verkaufen dir Kräutlein, von denen du noch nie gehört hast: Fingerwurz, Miefer, Stechapfel, graue Feldbilche. Sie verkaufen dir einen Winzling im Töpfchen, der sich Liebswohnerle nennt.
    Wenn du ihn in ein leeres Zimmer stellst, ist es bewohnt.
    Und das Ganze am Sonntag, im Sommer, in München, eines Tages werde ich das alles verdichten und den großen Münchenroman schreiben. Ein für allemal.
    Aber nicht heute. - Unser Freigelände ist unter Föhneinfluß übersichtlicher und nicht mehr so groß, gleichzeitig ist es aber viel größer geworden. Man kann von einem bis zum anderen Ende die Haarlinie von Frau Heidenreich klar erkennen. Unter einem Busch blitzt die goldgeränderte Brille auf, und man weiß, wer dort lagert. Oder die alten Damen als Elfenbeinpüppchen. Die Biertrinker haben putzige kleine Biergläser, gelb und weiß, ihre Genitalzonen weisen winzige Hämmerchen auf, und überall sind Brüste zu sehen, in der Größe von Senfkörnern, mit äußerster Präzision dargestellt.
    Aber ich sehe noch etwas: Den quadratischen Menschen als solchen. Ich weiß nicht, was das ist, ist es die Föhnluft, daß ich durch die Haut hindurchsehen kann: Das pulsierende Herz, das ganz klein und bescheiden schlägt, anscheinend hat der gestrige Anfall doch seine Spuren hinterlassen. Vielleicht ist es an der Zeit, denke ich, ihm den Gnadenstoß zu versetzen.
    Die gesamte Menschheit gestochen scharf in Miniatur, ich sehe, sie ist einen weiten Weg gegangen. Vom geduckten ersten Menschen - und damit ist der allererste gemeint, der noch käseweiß ist - bis zum Homo erectus, stolz dahinschreitend. Vom Urzustand bis hin zu den zementierten Besitzständen an der Wasserfront, sexistisch, rassistisch und schön mit dem immer noch gehuldigten Ideal eines Torso von Arno Breker.
    Gerade eben sehe ich einen solchen in unmenschlicher Schärfe am Beckenrand stehen.
    Ich glaube, kein Nordländer wird die Föhnlandschaft je begreifen, sie ist eine Landkarte mit ganz genauen und verständlichen Eintragungen. Und gleichzeitig ein vollkommenes Mysterium. Ich habe mir später oft überlegt, ob an einem anderen Tag in einem anderen Licht ich die Erscheinung überhaupt wahrgenommen hätte.
    Aber hier kommt sie…

    *

    Nein, vorher, sozusagen als Einstimmung erschien noch der kleine Priap - ich habe ihn so genannt, weil er wirklich so heißen sollte, und hiermit drehe ich den Tag noch einmal zurück, ganz bis zum frühen Morgen, als ich soeben das Bad betrete. Ich war fast der erste hier, entdeckte nur noch zwei frühe Herren hinten an der rechten Ecke des Beckens, überall gab es noch freie grüne Wiese und freien Beton. Ach ja, Frau Lempe im Gebüsch, die war allerdings auch schon da, hielt sich wie immer kurzsichtig die Zeitung vor die Augen und hätte

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