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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
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verschreckt.»
    Und wirklich, die Dame mit den Töchtern hielt sich ein Handtuch vor die Brust, die Magere bekam wahrscheinlich einen neuen Darmverschluß, das Blitzmädchen schrie «huch» wie in ihrer besten Zeit…
    «Wir kennen ihn! Wir kennen ihn genau! Taucht hier auf und spannt!»
    «Sie Spanner!» rief ich ihm nach, als er abzog.
    Aber Frau Wieland, das zwitschernde Vögelchen - möglicherweise konnte allein ich sie hören -, sagte mit ihrer kleinen Stimme: Jemand sollte den Kerl aus dem Wege räumen, es war sogar noch besser, sie sagte «umnieten». Und das mit ihrer ganz kleinen Brüsseler-SpitzenStimme.
    Doch wie es manchmal geht - ich sehe da natürlich keine direkte Verbindung, andererseits fällt das zeitliche Zusammentreffen auf -, es vergeht keine halbe Stunde, als drüben am anderen Ende des Pools die Menge zusammenläuft, ein Volksauflauf: Was ist los, was ist geschehen? Jemand hat einen Anfall, heißt es, jemand solle einen Arzt holen! Ich bin natürlich auch hingelaufen, und was soll ich sagen, kauert da unser Muskelmann völlig verwirrt am Boden, dreht sich auf allen vieren um sich selbst, dazu jault der Mann!
    Eine absurde Vorstellung, den Supermann in derart erbarmungswürdigem Zustand zu sehen - wie man es seinem ärgsten Feind nicht wünschen würde.
    «Er hat den Drehwurm», klärt ein Umstehender mich auf, «er hat seine Pille vergessen.»
    «Das stimmt», behauptet ein anderer Umstehender, «noch vor zwei Stunden habe ich einen Blick riskiert, und da waren es fünf auf dem Pappdeckel. Und jetzt - schauen Sie mal hin - sind es immer noch fünf. Er hat seine Pille vergessen.»
    «Und was», frage ich unschuldig, «ist das für eine Pille?»
    Daraufhin herrscht ominöses Schweigen, während sich der Mann in seine Militärplane festkrallt, verzweifelt festkrallt, als ob ihm die ganze Badeanstalt unter den Beinen weggezogen würde. Man kann aber deutlich sehen, wie sich die Augäpfel ruckartig hin- und herbewegen. Wie Sekundenzeiger, die nicht von der Stelle kommen.
    «Nystagmus nennen es die Mediziner», erklärt einer der Umstehenden, «spontanes Augenzittern, sicherlich durch irgend etwas ausgelöst, fragt sich nur, durch was.»
    «Sind Sie Arzt», habe ich gefragt.
    Wie dem auch sei, ich habe mich noch am selben Abend mit meinem «Ratgeber in gesunden und kranken Tagen» hingesetzt und mich belesen. Vielleicht etwas laienhaft, demzufolge gibt es tatsächlich so etwas wie Drehschwindel oder Labyrinthsturz, jedenfalls kein leichtzunehmendes Krankheitsbild, das «mit vernichtendem Kreiselgefühl einhergeht». Als Ursache werden Kalkablagerungen im Innenohr genannt, winzige Bröckchen, die von der Wandung abfallen und ins Labyrinth hineinrollen können. Ein Vorgang, obwohl mikroskopisch klein, von erdrutschartiger Auswirkung (mit Bild eines Mannes mit verdrehten Augen).
    Nun war mein Ratgeber vielleicht etwas überholt (1898) und auch bezüglich therapeutischer Maßnahmen nicht ganz zeitgemäß, Wannenbäder, Kinnwickel, aromatische Umschläge und Beifußaufguß, aber die Relation der Größenverhältnisse war überzeugend dargestellt:
    «Felsbrocken, die mit Donnerhall in einen Tunnel stürzen.»
    So enorm laut.

6

    Der Strand ist schattig. Und ich weiß auch, warum, die Sonne wird durch das gelbe Haus verdeckt, das oben am Weg steht und einen langen Schatten wirft. Es ist aber trotzdem heiß hier unten und hinterläßt was?
    Ja, sie hat sich ein Spiel ausgedacht, ein Fächerspiel, sie taucht ins Wasser, taucht auf und blitzt mich an. Ihr Tuch, das sie über der Brust verknotet trägt, bläht sich dabei wie eine große goldfarbene Qualle. Wenn sie aus dem Wasser steigt, hält sie es vor sich hin, so daß ihre Schönheit vom Weg her, der gelb geschlängelt vom Dorf verläuft, nicht zu sehen ist, es sieht aber sowieso niemand hin, weil niemand dort geht. Sie blitzt und strahlt und dreht sich um, hält das Tuch hinter sich und steigt ins Wasser. Steigt heraus, schwingt das Tuch, es ist sehr schön, goldgelb mit grünem Rand und einer Borte aus blauen Löwen. Ich habe es ihr geschenkt, ich habe ihr noch viele andere schöne Tücher geschenkt, die sie beim Baden um sich schwingt, vor sich und hinter sich wie einen Fächer, damit ich deutlich sehen kann, wie schön sie ist.
    Denn hier stehe ich.
    Mit meinem Lingam. Der Priester hat gesagt, daß der Lingam heilig ist und für den Tempelgebrauch bestimmt, ein vollkommener Unsinn, jedermann weiß, wofür der Lingam gut ist. Ich weiß es, mein guter

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