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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
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schon aus diesem Grunde nichts bezeugen können, mit ihrer Lesebrille.
    Ich hatte mich noch nicht hingelegt, unschlüssig, ob ich nun vorn an der Schmalseite oder in der Mitte meinen Platz beziehen sollte, denn noch gab es die freie Auswahl. Als dieses Männlein um die Ecke kam. Ich kannte es, ich hatte es immer als tragisch empfunden, weil dieses schmächtige Männlein den absurd großen Kopf eines Bankdirektors besaß, gediegen und sehr ernst. Vielleicht war er Schuster in einem Souterrain an der Ecke, ich weiß es nicht, jedenfalls hatte er schwer an seinem Kopf zu tragen - und wie sich nun zeigte, nicht nur an seinem Kopf. Wie er da um die Ecke kam.
    Mein Gott, das haben wir ja gar nicht gewußt.
    Der hatte immer still und abseits auf seinem Badetuch gesessen, den lieben langen Tag, unauffällig und wenig sichtbar, das heißt, einige Male war er mir doch aufgefallen, weil er sich so gar nicht bewegte. Im Sitzen hielt er seinen Oberkörper merkwürdig steil, aber auch im Liegen immer etwas aufgerichtet, als ob er eine Strebe für den zu großen Kopf benötigte. Und nun, an diesem schönen Morgen, an dem man von hier aus einen Hufnagel in Germering hätte erkennen können, trat er plötzlich frei in Erscheinung.
    Sehr frei.
    Stieg ins Becken und nun stand er da, im Seichten, ganz allein im vorderen Viertel, wo sonst die Kinder spielen. Das Wasser reichte ihm die Oberschenkel hinauf bis knapp unter den Bauch und genau bis dahin. Weshalb ich das sorgfältig bestimme? Mein Gott, wir haben es wirklich nicht gewußt, der Mann hatte ein ungeheuerliches Glied! Mir wäre, hätte ich selbst dort gestanden, das Wasser gerade übers Knie gegangen, er aber war dort wie nach dem goldenen Schnitt postiert, wie ein Torso auf dem Sockel. Wahrscheinlich hatte er sich deshalb genau diese Stelle im Wasser ausgesucht, und möglicherweise nicht zum ersten Mal. Seine Hoden, das heißt, einer von ihnen, der etwas tiefer hing, berührte gerade die Wasseroberfläche, das konnte man erkennen, weil das Glied, das Organ, der Baum oder wie man es nennen wollte, frei nach oben stand.
    Und zwar - hier merkte, glaube ich, jeder der Anwesenden mit Ausnahme von Frau Lempe auf - und zwar senkrecht nach oben. Man muß sich das so vorstellen, das Ding war fast einen halben Meter lang, stand zunächst einmal waagerecht aus dem Körper heraus, um aber dann mit einer perfekten Biegung in der Vertikalen hinaufzustreben. Und das praktisch im Alleingang - wir, die zufällig viel zu früh Anwesenden, zählten gar nicht.
    Um auch das klarzustellen.
    Ich habe oft mit gewisser Achtung daran denken müssen, es ist sicherlich keine Zurschaustellung gewesen, der Mann war völlig in sich gekehrt - Gott Priap persönlich. Da hatte dieser stille Mensch mit dem lächerlich großen Kopf eines Bankdirektors, was sage ich, eines Zentralbankdirektors seine stolze Existenz gefunden.
    In der Ewigkeit der Morgenstunde.

7

    Bebte die Erde, stand mein Herz still, sprachen die Götter? Ich glaube alles zusammen, ja, mein Atem stand auch noch still. Es war - so etwas gibt es natürlich nicht - die Liebe, der Blitzschlag, der Sturz aus rotem Himmel, der mir widerfuhr. Wie nie zuvor im Leben. Ich hatte nur immer geglaubt, es sei mir widerfahren.
    Kam das Mädchen ganz nebenher durchs Gelände direkt auf mich zu - der ich am Einstieg zum Schwimmbecken lag -, ein wenig verunsichert, ja, mit gerunzelter Stirn, als sei ihr hier nicht ganz wohl zumute. Vielleicht hielt sie sich für zu dick, Frauen verstehen davon nichts. Doch als sie an mir vorbeiging, sehr groß und aufrecht, strahlte sie - nein, sie lächelte mich nicht an, mich schon gar nicht, sie strahlte, hatte ganz helle goldene Augen, die mich anfaßten. Zurück blieb verbranntes Land – – – mein Name, meine Vergangenheit, alle Vorlieben und Eigenschaften, jemals, mein gesamtes Alles, alles verbrannt.
    Ich hatte dann Gelegenheit, sie im Wasser stehen zu sehen, ganz vornean, wo es noch flach ist, ihre Rückenansicht mit kleinen Rückenknöchelchen und sehr delikaten Schulterblättern. Sie stand dort eine Weile, von vorn beleuchtet, für mich also im Gegenlicht, trat noch etwas tiefer, bis ihr das Wasser zur Taille reichte, aber so blieb sie dann wirklich stehen, sehr lange, ich dachte: Was macht sie denn, meditiert sie über Wert und Unwert? Die Nackenlinie leicht zur Seite und nach vorn gebogen. Sie hatte ihre Haare hochgesteckt, so daß am oberen Nackenrand eine leichte Vertiefung zu sehen war, eine Kuhle. Ich konnte

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