Die Schule der Nackten
die lange, die stattlich lange Reihe von Genitalien denke, die bisher ins Feld geführt wurden. Julianes Genital, bei Licht und bei Sonne besehen, war klar und deutlich durchmodelliert, eine skytische Skulptur - wenn man mir den Vergleich verzeiht -, ein Löwenfalke, ein geflügeltes Doppelwesen, das durch die Mythen fliegt, wobei zwei kräftige innere Schamlippen die Flügel darstellten. Einen leisen Bruch in der Symmetrie gab es bei den Lippen, die den Kitzler umschlossen, die eine war stärker ausgeprägt, wie ein einseitiger Schild, ein skytischer Hakenschild für die Schulter. Man sieht, ich kann nicht anders, Gott helfe mir.
Denn analog zur allgemeinen Schwellung der Juliane in der Sonne, nahm jetzt auch dieses schöne Gefährt allmählich Fahrt auf - ich, der ich im stumpfen Winkel lag, konnte es beurteilen -, wurde zusehends und zunehmend schneller. Raste endlich voll unter dem Venushügel davon, moduliert, poliert und rasiert natürlich. Ein rasanter skytischer Streitwagen und absolut tödlich, soweit sich das beurteilen ließ.
Vor allem beurteilen, wohin die Fahrt ging.
«Weißt du, ich bin etwas in Sorge», erklärte ich, «du liegst jetzt seit Stunden prall in der Sonne, und so ungefährlich ist sie (er) auch im September nicht.»
Zumal wir einen ungewöhnlich klaren Himmel hatten.
«Ich meine, du könntest ja auch mal eine Pause machen. Er (sie) läuft dir nicht weg.» Aber da stieß ich wohl nur auf taube Ohren. Ich habe mich gelegentlich einmal im «Ratgeber für gesunde und kranke Tage» über Sonnenschäden belesen, die da angeführt wurden - allerdings aus einer Zeit, da Sonnenbaden noch utopisch erschien - und hier waren sie, die bedrohlichen Farbtafeln (I-IV): Rötung, Schwellung, Blasigwerden bis hin zur völligen Zerstörung des Gewebes. Die Haut pellt sich.
«Ich pelle mich nicht.»
«Ich weiß, es ist reine Liebe», sagte ich, «ihr habt ein intimes Verhältnis, aber es kann ja auch einmal zuviel des Guten werden.»
«Alex, davon verstehst du nichts.»
«Ich weiß.»
Auf Tafel V war ein rotgesichtiger Schwachsinniger abgebildet, ein Schreckensgesicht mit verdrehten Augen - dazu muß man die damalige körnige Bildtechnik in Rechnung setzen: Der rote Hirndruck, der «Sonnenstich». Und daneben ein nicht minder schreckenerregender Wasserapparat, eine Art Schaukelbad für den Hinterkopf, womit anscheinend Abhilfe geschaffen werden sollte. Nur war der Patient -in Turnanzug und Halsbinde - ohne Frage längst hinüber.
«Zunehmender Dämmerzustand, Bewußtlosigkeit», rief ich aus, «Krämpfe, zentraler Tod (Exitus)!»
Ich weiß, aus mir sprach die Eifersucht, machtloswie ich war, außerdem hatte das Mädchen Juliane sowieso niemals auf mich gehört. Was sagte sie, als ich ihr ernsthaft Vorhalte machte, sie sagte:
«Ich habe mich angemeldet, Alex.»
«Du hast was?»
«Angemeldet zum Intensivkurs.»
Und das erfahre ich ganz nebenher.
*
Es ist phantastisch, hatte ich einmal zu meinem Schuldirektor gesagt, da zahlen die Leute Geld dafür, daß sie sich prostituieren dürfen. Stellen Sie sich vor, Kunden, die sich als Ware zur Verfügung stellen, die sie selber kaufen wollen - ein perpetuum mobile -, und dafür bezahlen. Wieviel? Was weiß ich, sagte ich, einen Tausender? Veranstalter, die auf so etwas kommen, müssen genial sein, es ist das Ei des Kolumbus! Und das leuchtete ihm als Schulmann ein. Wie sehr ich ihn vermisse. Jetzt, da die Tage kürzer werden und die Schließung des Jakobi-Bades bevorsteht (wahrscheinlich am 15. Sept.), werde ich ihn wohl sobald nicht wiedersehen. Um ein Wort loszuwerden.
«Haben Sie denn da mitgemacht?» hatte er gefragt.
«Ich? Niemals!»
Es gibt mindestens fünf oder sechs dieser Institute im Umkreis Münchens, den «Tempel», die «Himmelsflieger», die «Begegnung» und noch einige, alle mehr oder weniger tantrisch ausgerichtet. Teils als geschlossene Seminare, teils als Werkgruppen oder gruppendynamische Praxen deklariert - Krankenkassen tragen die Kosten natürlich nicht. Für eine dieser Institutionen jedenfalls hatte Juliane sich angemeldet, hatte sogar Geld angespart, wie ich beiläufig erfahre.
Tantra-Seminar in Einhausen.
Eine Woche lang Intensivkurs mit Verpflegung und Schlafstelle. Jeder bringt, was er hat. Jeder seine eigenen Tücher und sonstige Materialien, und was für Materialien? Kerzen, Massageöl, Kinderbilder. Kinderbilder? Ja, Bilder aus der Kindheit für die Herzarbeit. An dieser Stelle habe ich ihr dann meine Meinung über
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