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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
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habe, aber die neuen sind schlecht, sie predigen das, was sie mit den Händen anfassen. Fangen ganz unten an, indem sie die Löcher verschließen, damit der Atem, wie sie sagen, der Bramah durch die fünf Chakras nach oben steigen kann: Von der Mondgrube zum Sonnengeflecht, zur Herzkammer, hinauf zu Stirn und Scheitel, und von dort, man staune, direkt in den Himmel. So machen sie es, habe ich mir sagen lassen, benutzen dazu die rechte Hand wie einen Streichpinsel, mit der anderen zeigen sie nach oben.
    Aber der Mann hatte auch mich gleich erkannt, das weiß ich. Gleich als er mir zum ersten Mal im Dorf entgegenkam und seinen gelben Lingam vor sich herschob. Wahrscheinlich hatte auch er zwei strenge Linien in meinem Gesicht entdeckt. Jedenfalls begegneten wir uns blicklos, ja, aber mit dem Blick aus der Seite heraus.
    «Er kann dich nicht leiden», sagten meine Freunde.
    «Ich kann ihn auch nicht leiden.»
    Dazu wiegte Freund Krishnu bedenklich den Kopf.
    Mein Freund Ramesh ebenfalls.
    Der Mann, der Mönch - Ratnor heißt er, erwähnte ich das? - schreitet durchs Dorf wie ein Besitzer, teilt rechts und links Segen aus, indem er die Hände zummenlegt, und was soll ich sagen, sie bringen ihm sogar das Essen - er braucht es nicht einzusammeln -, obwohl er es nicht nötig hat, sicherlich speist er unten am Fluß in seinem Lehmpalast vom Feinsten, Chapatis, Goldbrot und Fisch. Wenn ich es mir überlege, kennt mein Haß keine Grenzen, einmal hatte ich ihn mit meiner Frau gesehen, quer über den Platz gehend, und die Erde tat sich auf. Sita, die Schönhüftige, einen halben Schritt hinter ihm, hinter einem Satz hergehend, den er wohl gerade ausgesprochen hatte. Obwohl sich immer die Erde auftut, wenn ich Sita sehe, heute noch.
    Zugegeben, er. ist ein schöner Mann mit seinem langen pferdeähnlichen Kopf und seinem festen Mund. Das Gesicht trägt er rasiert, das Haupthaar lang, gold und schwarzsilbern mit leicht aufgeringelten Endspitzen. Wahrscheinlich parfümiert. Die Kleidung entspricht den gelben Mönchen, seine Tücher jedoch sind aus Seide und fallen deshalb in reicheren Falten, auch ist sein Gelb subtiler, tiefer, safranartig. Ein schöner Mann, ein Hengst mit einem Hengstkopf, aber ich sehe - wohl als einziger - die abgrundtiefen Furchen von den Augenwinkeln bis zum Mund.
    «Er bringt einen bösen Samen.»
    «Er bringt keinen bösen Samen», widersprechen die Freunde Ramesh und Krishnu.
    «Zwischen die Schenkel eurer Weiber.»
    Damit errege ich aber nur Unwillen, denn so spricht man nicht von einem heiligen Mann. Außerdem bringt er den Samen auch zu den Männern und die sind ganz versessen darauf, laufen breitbeinig durchs Dorf und warten auf ihren Tag in der Woche. Frühmorgens, wenn sie am Meer alle in einer Reihe hocken, um das Morgengeschäft zu verrichten, öffnen sie ihr Gemüt und sprechen von nichts anderem. Ich gehe seitdem nicht mehr ins Dorf, weil ich keine Freunde mehr habe.
    «Du bist schrecklich», sagt meine Frau zu mir.
    Ich bin durchaus nicht schrecklich, ich bin heillos altmodisch vielleicht, und eigen, aber dazu muß ich noch weiter ausholen, damit man weiß, wovon ich spreche. In meiner Jugend lehrten sie uns den rechten Weg, und das war Enthaltsamkeit, das war Maß, die Zuwendung zu höheren Plätzen, die einzunehmen man sich bemühen sollte, und wodurch? Durch Enthaltsamkeit und Maß, das haben sie uns beigebracht. Ich bin nie ein Asket gewesen, obwohl auch das von mir erwartet wurde - sich innerhalb der eigenen Haut zurückzuziehen, ganz selbst zu werden, ganz «Sein» oder besser noch «Nichtsein». Das hat mir nie so recht eingeleuchtet. Nein.
    Ich bin ein Mann des Schaffens, und ich schaffe mit meinen Händen, die ich deutlich vor mir sehe - also werden sie wohl vorhanden sein -, mit denen ich den Ganesh mache und die anderen schönen Figuren, den Shiva und die Shakti und den Hanuman, wie er gerade den bösen Feind Shrinar, halb Baum, halb Schlange, mit dem Schwert erschlägt. Ich kann sehen, ich kann schmecken, ich kann fühlen. Und die Schönheit hat ihr Maß, das mich glücklich macht - Sita -, warum soll ich das leugnen.
    Aber nun haben sie das Maß verdreht. Im Süden, in Ooti, in Madurai und anderen Orten haben sie die Tantra-Tempel gebaut. Es ist das Kundalini, das dort gepredigt wird, die Schlangenkraft, die Kraft, die wir unterhalb des Gürtels benutzen. Mann und Frau und beide zusammen.
    Soweit leuchtet es ein, denn nichts anderes haben wir gemacht, die Sita und ich, und wenn ich

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