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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
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Gürtellinie. Vielleicht hatte er einen geheimen Punkt (secret spot), den er betätigte, trug vielleicht eine unsichtbare Klemme, vielleicht einen Knochen unter dem Damm oder irgend etwas. Jedenfalls focht er «schmutzig», das war klar, es änderte aber nichts daran, daß ich auf der Strecke geblieben war. Das war auch klar.
    Aber seltsam.
    Plötzlich.
    Als ich dort unter den Stauden lag, und das Morgenlicht grün durch die großen Bananenblätter drang, packte mich plötzlich ein seltsamer Kampfgeist. Wer war ich denn! Und wer war dieser hergelaufene Schwanzritter, fragte ich mich! Zu Recht! Wie, wenn auch ich herlief und mich unerlaubter Mittel bediente! Und zwar oberhalb der Gürtellinie, da sollte sich dieser Herr vielleicht einmal fürchterlich wundern. Dachte ich großartig.
    Hier war ich!
    Ich war mit einem Ruck aus dem Bett gesprungen.
    Hier stand ich!
    Und fürchtete mich nicht.
    – – –
    So kam es, daß ich an diesem Morgen mit großer Gelassenheit (ich hatte Gott auf meiner Seite) die Arena betrat, unerwartet mutig, sollte man meinen. Der Himmel war blau, die Fähnlein flatterten - ich glaube, es flatterte tatsächlich irgendwo ein einzelnes kleines, das des Rettungsschwimmers.
    Absichtlich hatte ich es so eingerichtet, daß sowohl der Pradi (Pradhi Rama) als auch Juliane bereits anwesend waren, als ich eintraf. Nahm meinen Platz im Dreieck ein. Das Tuch war heute kirschrot und besaß eine sandfarbene Borte. Sehr dekorativ. Der Meister übrigens hatte seine Position diesmal leicht verändert, saß jetzt genau auf der Trennlinie des Sonneneinfalls, so daß sein Oberkörper im Schatten, sein Unterleib dagegen sich voll im Licht befanden. Mir blieb der etwas ungünstigere Platz im vorderen Drittel, wo mich ein schräger Schattenstreifen des Gestänges zerteilte, der aber weiterwandern würde.
    Im Arenenrund bereits große Erwartung.
    Juliane hatte sich festlich zurechtgemacht mit einem Kettchen ums Fußgelenk, drei kleinen Brillanten (Straß), aufgeklebt über der linken Brust, Haare offen, sie saß in aufrechter Haltung mit untergeschlagenen Beinen. Pradi ebenfalls aufrecht, abwartend, wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, mich hier noch einmal anzutreffen. Befand sich nichtsdestoweniger mit seinem halben Pfund längst in Form, schon als ich eintraf, längst als Dauerzustand etabliert, so wie ein Langstreckenläufer in gelassener Dauerform sich auf den langen Zeitablauf einstellt - was ich nicht umhin konnte anzuerkennen. Ich selbst befand mich hier halb sitzend, halb liegend, ein Bein ausgestreckt, das andere untergeschlagen - in dieser Position würde ich es eine Weile aushalten.
    Gesprochen wurde nicht.
    Erotik auf dem Nacktbadegelände ist eine paradoxe Größe. Einerseits besteht das Überangebot blanken Fleisches, andererseits aber fehlt jegliches Gefälle. Es gibt keine Erwartung, keine Steigerung, eine wahnwitzige Hoffnung auf etwaige Enthüllung, weil sie bereits stattgefunden hat: Die nackten Tatsachen sind, wenn man es genau nimmt, zu nackt.
    Wie sehr hatten wir uns über die zarte Fessel aufgeregt, als die Röcke noch lang und das Trittbrett der Kutsche zu hoch war, und das ist erst hundert Jahre her. Wie sehr über die Waden, über die Kniekehlen, als die Röcke höherrutschten. Und gar über den weißen Streifen oberhalb des Strumpfes, auf der Treppe oder später auf der Rolltreppe! Aber was, um Gottes willen, frage ich jetzt ganz ernsthaft, soll denn heutzutage noch höherrutschen?
    Außer einer wahnwitzigen Hoffnung.
    Wenn ich also jetzt meine Imagination ins Spiel bringen soll, dann weit entfernt von diesem Fleischgetümmel. Ich denke an einen winzigen nackten Fuß auf dem Schulhof, an den Fuß der Gertraude, wir hatten ihr den Schuh ausgezogen und die kleine Socke und uns furchtbar aufgeregt. Der Fuß war ein Marzipanklümpchen, die Zehen rosa Erbsen, ich hatte versucht, den Fuß in meine Hosentasche zu stecken, und dabei meine erste Erregung erfahren, wohl nicht die erste, aber die erste, die mir in Erinnerung ist.
    Oder die Ritterburg. Oh, die Ritterburg zwischen den Beinen des Mädchens Ursula von nebenan. Ich baute sie an einem trüben Tag, der kaum Licht genug hergab, um das Kinderzimmer zu erleuchten. Vor allem durfte sie sich nicht bewegen, damit die Burg nicht zusammenfiel. Die Türme und die Türmchen in der Schlucht zwischen den kleinen Pobacken. Sie war so geduldig, das Mädchen Ursula, sie hielt stundenlang bäuchlings liegend aus, ich erinnere mich, daß sie ein

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