Die Schule der Nackten
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Dahinter führt der Gang weiter ins Dunkle, ins Heiße, der Felsen wird schwerer hier, dichter, und der heiße Ölgeruch erhält einen Zusatz, etwas sämig Süßes, das sich wie Hanfstaub auf den Atem legt. Wie ein leidiger Übergriff. Was ist das, ich spüre, wenn ich jetzt eine Frau wäre, fühlte ich mich besamt, aber ich bin ein Mann und fühle es ebenso. Was ist das? Und dann höre ich das hich – hich – hich – haaaaah –, es öffnet sich ein Gewölbe weit und schwarz, so hoch, anscheinend bis unter die Bergkuppe reichend. Oben herrscht Nacht, hier unten ist der Boden strahlend hell von hundert Öllampen, jede für sich in einer flachen, in die Wand gehauenen Nische wie eine kleine
Gottheit im Schrein. Und das hich – hich – hich kenne ich auch. Es ist das Prana Apana, das Ein- und Ausatmen, das sie praktizieren, indem sie ruckartig die Luft einsaugen und dann, haaaaa, laut ausströmen lassen. Ich weiß nicht, ob es schön ist, aber das Vergnügen ist ja nicht das Ziel, sondern der Weg. Sagen sie.
Hich – hich – hich – – – – – – haaaaaah.
Dazu soll man auch den großen Dammuskel benutzen, der den unteren Ausgang des Menschen verschließt, wenn man den benutzt, sagen sie, wird das letzte Quentchen unreiner Luft ausgepreßt. Der allerletzte Rest. Da sitzen sie im Kreis und machen sich leer, pumpen, pumpen, bis sie alle platzen, aufrecht im Lotossitz. Das nennen sie Kapalabhathi (oder das, bei dem man heftig niesen muß).
Ich bin, um nicht entdeckt zu werden, sofort zurückgetreten, aber nun findet hinter dem Vorsprung anscheinend etwas Bedeutsames statt, dessen ich nicht teilhabe. Denn es herrscht plötzlich Stille, aber so vollständig und total, daß sie schon fast wieder hörbar ist. Ein Schauspiel? Eine heilige Handlung, eine grauenhafte Verwandlung? Sie heben die zusammengelegten Hände und glotzen, daß ihnen die Augen aus dem Kopf treten, und das sieht nicht sehr heilig aus. Ich weiß, mein Haß kennt keine Grenzen, aber ich sage, Kröten, die ihren Lurch absondern, hätten nicht unheiliger glotzen können als diese Gemeinde, die ich hiermit aus meinem Leben entferne.
Denn wie soll ich das überleben, was jetzt geschieht, als ich erneut um den Vorsprung schaue. Soll ich mich selbst entfernen aus meinem Leben - aus dem Ganzen vielleicht, Geburt und Tod und der Erinnerung daran, und das ist ja noch nicht einmal das Ganze, nach unseren Glauben. Als ich nun sehen muß, welch Bedeutsames sich am anderen Ende des Raumes abspielt:
Sita, die Schönhüftige, die Empfangende - denn das bedeutet der Name - sitzt oder liegt halbsitzend mit gespreizten Beinen auf der Matte und zeigt ihre Furche, ihre Yoni. Oh, sie tut das nicht halbherzig, soviel kann ich erkennen, sie spreizt sich mit aller Vehemenz, hat die Knie weit auseinandergenommen, hält sich in den Kniekehlen fest, so daß alle sie sehen können, und sie hat eine schöne Yoni. O ja, ihre Yoni ist wohlgebildet, ein ganz prächtiger Fruchtstock ist das. Soviel kann ich auch von meiner Ecke her erkennen - und habe es, wenn ich mich recht erinnere, schon ein wenig früher erkannt: Ein schwellendes, hingebendes Gebilde ist das. Eine Gotteslandschaft, auf und ab, und über die Hügel, ich habe sie in den schönsten Augenblicken begangen. Und nun begeht sie ein anderer.
Der hat sich im aufrechten Sitz neben ihr niedergelassen. Mit der einen Hand scheint er einen Strahlenkranz zu zeichnen, mit der anderen aber, der rechten, nähert er sich der Yoni. Handrücken nach unten, kleiner Finger abgespreizt, drei Finger gebogen, Daumen nach vorn. Sehr präzise und mit offenbar allergrößter Heiligkeit, denn ein Anhalten des Atems tritt nun allenthalben ein (selbst bei meiner Unwürdigkeit). Und das Glotzen, ich will nicht ungerecht sein, habe jeden Mann und jede Frau studiert, also, das Glotzen geschah wenigstens mit Schrecken!
Meine Sita saß auf der Handfläche eines Gottes. Im wirklichen und im metaphorischen Reitsitz. Ein für allemal.
*
Es gab für mich nur zwei Möglichkeiten. Ich hatte die Wahl, den Gott umzubringen oder aber die Sita, oder – – das war auch noch eine Möglichkeit – – mich selber.
Man stelle sich die heiße Stunde kurz nach Mittag vor, staubige, dicke, rote Luft liegt über der Straße, die menschenleer ist - um diese Zeit wird kein Mensch lustwandeln. Doch einer. Mit abwesenden schleppenden Schritten schlurft er zum Eingang des kleinen Bogwan Tempels. Wo er wie gewohnt, mit Wasserkaraffe und einer Schale
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