Die Schule der Nackten
voller brauner Flecke in meiner Erinnerung, braune Lachen, naßgewordene Strohkubikel, die Menschen auf dem Feld trugen braune Hüte, selbst die Dächer waren bräunlich gesprenkelt. Wir fuhren verabredungsgemäß mit dem Ehepaar Fetter, der Mann fuhr zügig, etwas überdreht, während wir anderen uns zurücklehnten.
Es war verabredet worden, daß wir nicht als Paare teilnahmen, Juliane hatte das bestimmt. Alex, hatte sie gesagt, wir fahren auf keinen Fall als Paar, das wäre nicht richtig, und die Eheleute Traudl und Klaus Fetter hatten dazu genickt, er etwas stärker als sie. Ein wahres Mäuseehepaar, wenn ich das sagen darf, zierlich, gläubig, naiv sogar, wie ich aus einigen geäußerten Ansichten entnehmen konnte, beispielsweise was den Kapitalismus anging oder einige Sozialprobleme, ich hielt mich da besser heraus.
Der Klaus war eindeutig der aktivere, Frau Traudl der beklommenere Teil des Paares. Das ja nicht als solches auftrat. Allerdings hatte ich den Eindruck, daß Frau Traudl nicht ganz freiwillig an dem Unternehmen teilnahm. Eine unterdrückte Seele? Sie war sehr bleich, dunkle Haare, und sie war, ja, nicht hübsch, aber nett, etwas verschattet, und als ich sie einmal von der Seite ansah, traf ich ein Blick wie ein kleines Pique-As. Ihr Mann dagegen, wie soll ich ihn beschreiben, bei aller Mäusehaftigkeit gab er sich ziemlich krähend. Ein Kikeriki (ein Mäusekikeriki).
«Warst du schon mal im Pok-Dan?»
Ich verneinte, ich konnte nur ahnen, was das sein sollte, wahrscheinlich ein Körnerrestaurant. Juliane jedenfalls schien ihre Freude an den beiden zu haben.
«Wart ihr schon mal im Freitänzer?»
Da waren sie schon mal gewesen.
Wir näherten uns Einhausen, erkennbar am immer schlechter werdenden Straßenbelag, angeblich war das hier Militärgelände (gewesen). Was kostet denn der Spaß, hatte ich gefragt. Also er kostete runde Achthundert, inklusive Vollpension und einfacher Unterbringung, das Ganze sollte sieben Tage dauern. Montag bis Sonntag in Einhausen. Wo ist denn das, bei Gernsried, eine Stunde aus München heraus. Und wann? Am 20. September, genannt «Die Öffnung», Öffnung des Seins.
Wessen?
Alex, hatte sie gesagt, du bist furchtbar.
Als wir in den Hof einfuhren, warteten bereits zehn bis zwölf Teilnehmer neben dem langen Stallgebäude. Vorne wohnten anscheinend noch andere Leute, dort schauten zwei Kinder aus dem Fenster und ein gefleckter Hund, das Seminar sollte aber offensichtlich hinten stattfinden, wo über der Tür eine ausgespannte Fahne hing, «Tempel des Tantra», auf Sackleinwand gemalt, rustikal. Rechts und links je ein Kübel mit Stechpalme, dort standen auch mehrere Melkschemel. Antiquitäten?
Wie gesagt, ich war furchtbar, ich war voreingenommen und negativ gestimmt, und zwar aus Stilgründen, ich hasse Sackleinwand, ich hasse Melkschemel, vor allem hasse ich Rückgebäude. Und das Publikum konnte es mir auch nicht rechtmachen: Da gab es einen bärtigen Mann, eindeutig Naturmensch, dem bis zum Gürtel offenen Hemd nach zu urteilen, der sich offenbar für sehr populär hielt. So wie er dastand. Es gab ein ältliches Mädchen, das auch sehr «Single» umherblickte. Einen schönen großen Mann gab es, abseits an der Wand lehnend, er hielt sich leicht gebeugt.
Dann noch ein weiteres Naturwesen, Friede Neumann, ganz in grobem Strick, gestrickter Hose, gestricktem Kaftan, ungebleicht und naturbelassen. Offenbar bekannt hier, da ihr Name genannt wurde. Dann eine ganz Dicke und auch eine ganz Dünne und ein junger Spund, höchstens achtzehn, was wollte der hier? Es kamen noch weitere Leute, so daß nach einer Weile - es mochte eine halbe, vielleicht sogar eine ganze Stunde gedauert haben, inzwischen war es merklich kühler geworden und für den Abend schien sich Regen (noch dunkleres Herbstwetter) anzukündigen -, daß hier etwa zwanzig Leute von einem Bein auf das andere traten. Mittlerweile.
Bis wir plötzlich alle fröhlich wurden.
Es erschien ein Mann in der Tür. Ein Mann in Kittel und Kittelhose, und so wie er in die sich öffnende, von innen beleuchtete Tür trat («Tempel des Tantra»), wie er fröhlich und gastlich die Hände vor der Brust zusammenlegte, daran wäre ja eigentlich nichts auszusetzen gewesen. Nur, daß ich ihn hier nicht erwartet hatte. Ich habe Juliane später deswegen zur Rede gestellt. Wie das möglich sei, und warum um alle Welt sie mir das (ihn) verschwiegen habe!
«Du hättest ja fragen können.»
«Und du hättest einen Ton sagen
Weitere Kostenlose Bücher