Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
Vom Netzwerk:
Betel in ein offenes Gewölbe zurückgezogen, halb dösend nachmittägliche Audienz gewähren würde. Hauptsächlich für Frauen und Mädchen, mit zu langen Schamlippen vermutlich.
    Eine Woche lang hatte ich seine Gewohnheiten studiert. War ihm auf die Dörfer gefolgt und mehrfach auf einen in der Nähe liegenden Markt, wo er jeweils bei einem Händler für Drogen und Gewürze verschwand und erst nach Stunden wieder herauskam.
    Vorn standen Bottiche voll getrockneter Wurzeln, Samen, Viszeralien. Hinten ein Tunnel, wo dunkle Ballen sich stapelten und sich stundenlang Dunkles abspielte, offenbar. Ich folgte ihm auch zu einem braungelben Haus auf einem Hügel, aber das hatte schiere Mauern und wohl auch einen Wächter - ich sah einen bärtigen Mann oben auf der Hausecke kauern. Und ich folgte ihm zu einem Zahnreißer (den er jetzt nicht mehr braucht).
    Das alles nur aus gehöriger Entfernung, ich glaube nicht, daß er meine Anwesenheit bemerkte. Oder doch?
    Jetzt ist es ruhig im Ort. Man hört die Sandpartikel, die in der Hitze von den Mauern abbröseln, und man hört den Schatten der drei großen Bäume, er atmet. Der Bogwan Tempel ist ein Relikt aus ganz alter Zeit. Mehr oder weniger nur ein ummauerter Hof, in dem sieben Sandsteinfelsen liegen, jeder für sich, wie von Riesenhand in das Geviert des Hofes gelegt - aber wahrscheinlich waren die Steine zuerst da, und die Mauer wurde herumgebaut. Doch Wunder! Jeder Stein wurde in ganz alter Zeit auf das kunstvollste gemeißelt und ausgehöhlt, jeder ein Tempelchen für sich, einer mit vier Ecktürmchen, einer mit sandsteinernem Baldachin, einer wie eine kleine Stufenpyramide, nicht höher als zwei Mann, die aufeinanderstellen. Und den ausgehöhlten Elefanten nicht zu vergessen, der auch nicht fehlt. Es ist dies, möchte ich behaupten, der friedlichste, besinnlichste und zugleich einfältigste Platz im ganzen Land, ein Spielzeugzimmer der Götter, und wer anderes als ein Bösewicht könnte hier Böses vollbringen wollen.
    Ich hätte auch eine andere der drei Möglichkeiten wählen können. Denn ich weiß, daß alle drei in denselben schwarzen Raum münden, meine Sita werde ich nicht zurückerhalten und mich selbst auch nicht. Das ist gewiß.
    Man hält das Messer nicht wie eine Hacke und auch nicht wie einen Hammer. Man hält es wie eine Lanze mit imaginärer, auf den Zwischenraum der vierten und fünften Rippe gerichteter Spitze. Leicht mit Daumen und Zeigefinger am Blatt. Warum ich mich dazu entschlossen habe? Vielleicht weil es meiner Natur entspricht, ich kann kein Tier töten, ich kann noch nicht einmal einen Baum absägen und zu Tode bringen. Aber ich kann Budha Ratnor töten, und nur ihn, wenn ich drei Möglichkeiten der Verdammnis zur Auswahl habe.
    Er schlurft den trockenen, unbewachsenen Verbindungsweg zum Tempeleingang entlang, und hier am Weg halte ich mich hinter einem Steinquader verborgen, trete, sobald er an mir vorüber ist - in seinem hängenden gelben Tuch, in dem sich der entsetzlich hängende Lingam abzeichnet -, trete hinter ihm auf den Weg. So daß er meine Schritte hören kann.
    So daß er – – – ich weiß, er hört sie, und er weiß auch, was sie bedeuten, geht trotzdem nicht schneller, eher langsamer, schlurft eher noch gebeugter, läßt Schultern, Genitalien und sein gelbes Tuch eher noch länger hängen. So daß das Schicksal sich erfüllen kann.
    Ja, aber nicht für Budha Ratnor!
    Der schnellt, als ich ihn einhole und überhole - und im Überholen ihm das Messer seitlich zwischen die vierte und fünfte Rippe stecke - überaus drahtig herum, grell und auf der Stelle präsent, dreht sich wie eine Drahtkatze, ein Messerkämpfer. Denn wie hätte er sonst die elf Attacken überlebt, die ihm im Laufe seiner Heiligkeit von elf gehörnten Ehemännern bereitet waren, denn diese elf waren alle tot. Und was ich für einen Lingam unter dem Tuch gehalten hatte, ist in Wahrheit ein langer gebogener Dolch, den er wie von ungefähr in der Hand hält. Nicht wie eine Hacke und auch nicht wie einen Hammer, er hält ihn waagrecht in Bauchhöhe, er will schneiden, die Eingeweide aufschneiden, nicht stechen! Ein Sichelwagen! Im Drehschwung! Auf einem geraden sandigen Wegstück.
    Aber da hat er es schon zwischen den Rippen (da steckt das Messer), und das alles geschieht gleichzeitig im Überholen, nur daß ich eben ein wenig schneller als die anderen elf Ehemänner überholt hatte.

15

    Es kündigte sich bereits Herbstwetter an. Die Fahrt nach Einhausen war

Weitere Kostenlose Bücher