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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Augustin
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nicht.
    Woraufhin er eine gewisse Vierte, eine solide Dame, eine Politikerin, wie ich gehörte hatte, ansteuerte – – einen vierten Versuch hatte er nämlich nicht – – ansteuerte, und dann doch nicht. Er trat nicht in den Kreis zurück, stand da mit hängenden Armen und hätte nun konse-quenterweise seinem Leben ein Ende bereiten müssen. Jedenfalls hatte ich noch nie einen derart vernichteten Menschen gesehen, während mein Mitgefühl sicherlich nicht erwünscht war. Ihn beispielsweise beiseite zu nehmen: Wenn Sie Hund wären, würden Sie sich wundern, wie wenig Gerüche Menschen wahrnehmen, sie unterscheiden allenfalls zwischen gut und schlecht, und auch das bilden sie sich nur ein.
    Hätte ich sagen können.
    Er endete dann bei der armen Thea, die übrigblieb, nein, dort endete er auch nicht, er endete bei der Assistentin, der Sindra, die in diesem Fall einsprang. Die Thea dagegen, die Füllige, wurde vom Hirten selbst in Obhut genommen. Womit die Zahl dann aufging.

    *

    Wir anderen Paare, die wir glücklicher dran waren, richteten jetzt unsere Herzlager ein. Mit um so größerem Eifer, als wir ja gesehen hatten, wie es laufen könnte (wenn es nicht lief).
    Die Traudl machte das übrigens sehr liebevoll, baute ringsum kleine Pagoden auf, kleine Sockel, auf denen Räucherstäbchen steckten. Auch zwei Kerzen oder schwimmende Dochte in Lotosschalen, rechts und links des Lagers zwei farbige Bänder mit aufgenähten Spiegelchen, Tütchen, alles sehr wohnlich und offenbar von langer Hand vorbereitet. Ich konnte erkennen, was es bedeutet, sich einen «mental» abgegrenzten Raum zu schaffen, und darf sagen, ich fühlte mich angerührt, gleichzeitig aber auch beschämt, hier mit sozusagen leeren Händen zu erscheinen.
    Mit nichts als Massageöl.
    Immerhin frohen Sinnes (ein Spaß).
    Das Ausziehen sollte diesmal rituellen Charakter haben, indem wir uns gegenseitig auszogen, mutuell, ich die Traudl und die Traudl mich. «Machen Sie sich keine Sorgen», sagte ich und war wirklich der Meinung, sie sollte sich keine machen, damit wir hier eine mögliche Peinlichkeit einigermaßen überbrücken konnten. Die Traudl sah mir fest ins Auge.
    «Ich mache mir keine Sorgen», sagte sie .
    Sie legte sich dann in ausgezogenem Zustand auf das Lager. Folgende Anordnung: Die Dame liegt flach auf dem Rücken, der Herr zu Häupten streicht ihre Stirn. Die Wangen. Und mit sehr viel Fingerspitzengefühl die Mundpartie. Sie hebt das Becken, senkt das Becken und hat dabei Empfindungen: Es ist das «Beckenwiegen» und das «angenehme Kribbeln», das dabei empfunden wird, das Apanasatram. Der Meister läßt das Wort rollen und erklärt, daß es «Willkommen» oder «Öffnen der Tür» bedeutet, es sei eine Begrüßung.
    «Wir begrüßen uns jetzt.»
    – – –
    «Sie brauchen nichts dabei zu empfinden», sagte ich leise zur Traudl, «wenn es nicht geht, geht es nicht. Hauptsache, es sieht so aus.»
    «Ich empfinde sehr viel.»
    Also gut. Jetzt bleibt die Dame auf dem Rücken liegen, der Herr sitzt ihr zur Seite, immer noch in Hockstellung, seine Rechte, mit der er massiert, ist ausgestreckt, die Linke hält das Öl. Das Massageöl. Es sollte leichtfließend sein, mit einer Duftnote, Sandel, Hibiskus, Ringelblume, die Streichbewegung leicht, ohne Druck und langsam. Ruhige Kreisbewegungen oder lange gerade Striche. Sie sollten «ein Zephir» sein, aber nicht kitzeln.
    «Empfinden Sie etwas?»
    Die Traudl blickte mir plötzlich starr ins Auge. Sah ich das Ganze vielleicht falsch? Mir kam der Verdacht, daß die Dame sehr viel empfand und vielleicht genau das Richtige. Jetzt strich ich ihr mit einem langen Strich vom Fuß bis zur Hüfte, aber wirklich nur ganz auf der Außenseite, und dann mit einem langen Strich an der anderen Außenseite hinab. Was sollte ich sagen, beide Male entlockte ich ihr einen deutlichen Seufzer, und vielleicht war es gar nicht der Ehemann Fetter, der die Idee gehabt hatte?
    Inzwischen hatte aber eine leise Musik im Raum eingesetzt, mehr ein Hintergrund als Musikstück, «Gesang der Natur» aus einem verborgenen Lautsprecher - hinter der Sackleinwand? Der Pradi ging von Paar zu Paar, gab hier eine leichte Korrektur, dort eine ordnende Hand. So wie ein Meister zwischen seinen Kunststudenten einhergeht. «Wir wollen unseren Körper kennenlernen. Für uns selbst und für den anderen.»
    Gewichtig, aber auch behutsam.
    «Wie fühle ich mich!»
    Aber auch mächtig, so wie wir ihn von unten sahen.
    «Und wie fühle ich, was

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