Die Schule der Nackten
weißen Lichtquelle von außerhalb des Raumes, wobei das gesamte sichtbare Spektrum weggefiltert wird und nur der unsichtbare Anteil jenseits des Violetts den völlig dunklen Raum erfüllt, das Ultraviolett.
Das Bild ist außerirdisch.
Da schweben Krawatten als leuchtende Gestirne im Raum, Hemdenknöpfe, Reißverschlüsse, aber auch Griffe von Tragetaschen wandern isoliert herum, Brillengestelle, Haarspangen kleiner Mädchen.
Ich habe eigenständige Gesichtscremes - nur die Creme und sonst gar nichts - dort schweben sehen und eben auch den wehenden «blauen» Seidenschal einer Dame. Der war es, der mich auf den Gedanken gebracht hat. Der Seidenschal und sein unerhörtes, nie zuvor gesehenes jenseitiges Blau.
«Oh, Alex!»
Allein um dieses Moments willen hätte sich der ganze Aufwand gelohnt. Sie war überwältigt. Sie breitete die Arme aus, ging ein paar Schritt in das Blau hinein, dieses blaueste Blau überhaupt, dann drehte sie sich um, glücklich, beseelt.
Nein, ich will mich wirklich nicht loben, aber was da an Transparenz, an Transluzenz aufleuchtete, sobald die insgesamt viertausend Watt schwarzen Lichts angingen - es war natürlich fluoreszierende Farbe gewesen, die ich so häßlich hatte auftragen lassen -, das war… das war…
«Oh, Alex!»
Vergleichbar vielleicht mit einem tiefen Unterwasserlicht: Tintes Traum vom glückseligen Ertrinken, na ja, ein poetischer Vergleich. Hinzu kam, daß dem Auge am ausgegipsten Rund keinerlei Fixpunkt geboten wurde - die Wände waren selber die Lichtquelle -, so daß der Blick glatt hindurchlief: bis nach Mahabalipuram. Ich hatte die Tür bündig einpassen lassen, ohne Spalt und Ritze. Einzig die Horizontlinie, wo der weiße Sand gegen das Blau stand, zeigte eine Grenze an. Aber die war eher surreal zu nehmen, man wußte auch nicht genau, wie weit entfernt. Zwei Meilen. Zwanzig Meilen. «Oh, Alex», sie hatte die Schuhe abgestreift und war auf den Strand hinausgelaufen, «das hast du gut gemacht.»
«Das habe ich sogar sehr gut gemacht.»
Und sie wußte noch nicht einmal, wie gut.
Wenn man bedenkt, mit welchen Schwierigkeiten heute zu rechnen ist, mit Handwerkern, Baugenehmigungen und überhaupt mit allem Baugewerblichen, Elektriker eingeschlossen. Inzwischen hatten wir uns ausgezogen, keineswegs schwül, sondern so richtig zügig wie am Strand, hatten unsere Sachen in die Gegend gepfeffert. Es herrschte Windstille. Zwar standen Badelaken zur Verfügung, Juliane zog es aber vor, sich «ohne» in den heißen Sand zu legen, der nicht nur an der Oberfläche, auch ganz bis zum Grund von der Sommerhitze durchglüht war.
Noch ein Wort zum Tropenhimmel. Er wird als dunkles Wunder beschrieben (Sir W. C. Lawrence), als tiefer Lapis, als «heiße Nacht bei Tage», aber gerecht wird man ihm damit immer noch nicht. Man kann ihn nur mit einem inneren Auge sehen, eine dunkelblaue Glocke mit einem fast schwarzen Loch im Zenit, wo die gleißende Sonne sitzt. Zum Rand hin heller werdend, Azur, Colin, Marin bis hin zum Veilchenblau. Um dann mit einem geradezu gefährlichen Türkis aufzusitzen. Denn die Düne, so weiß sie sein mag, ist vergleichsweise schattig, da ihr eine eigene Strahlkraft fehlt, sie schiebt sich aus der Mulde vor das Licht, und das sieht aus, als sei es sechs Uhr abends, obwohl es zwölf Uhr Mittag ist.
«Oh, Alex!»
Die unbarmherzige Sonne.
Es sind natürlich nicht die viertausend Watt Ultraviolett aus den Ecklampen, die uns braun werden lassen, sie bräunen auch, beziehungsweise deren Widerschein von den Wänden, doch erst die große Höhensonne im Scheitelpunkt mit ihren weiteren viertausend Watt ergibt die volle Wirkung. Und die ist stark. Eine starke Körperlichkeit.
«An der Malabarküste.»
«Oh, Alex», gluckst meine Juliane glücklich, «du bist immer so verrückt.»
«Und du weißt noch nicht einmal, wie verrückt», sage ich. Das gelbe Haus ist von hier aus nicht zu sehen, auch der Weg nicht, und die aufgebrachten Leute im Dorf, die laut schreien. Was schreien sie: Mord. Mord? Das ist kein Mord, das ist eine Notwendigkeit in dieser Hitze. Und wenn wir niemanden hier sehen, kann auch uns niemand sehen, so ist das nämlich. Sie dehnt sich und streckt sich, sie dreht und wendet sich, und ich wäre der glücklichste Mann der Welt, wenn man mich nur ließe.
In dieser brütenden Hitze.
«Reibst du mich ein, Alex?»
Der Mann, der in seinem Glück schwimmt, ja, meine Schöne.
Ich verwende ein reines Hautpflegemittel, es ist zwar als Sonnenschutz
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