Die Schule der Spielleute
allerdings nicht weiter bei Israel und seiner Mischpoche. Deshalb musste Friedrich hier einen anderen einsetzen. Ob der mehr Erfolg hatte?
Als sie die langen grauen Locken erblickte, hob sich Lene auf die Zehenspitzen. Dieses Wesen neben ihm, bei dem man vor lauter Haube und Gebände kaum etwas vom Gesicht sah, musste wohl seine Frau sein. Daneben eine Reihe besonders hässlicher Mädchen. Wenn die nach der Mutter kamen
Lene kicherte. Das großväterliche Vermögen würde kaum reichen, sie alle zu verheiraten. Da musste der Vater sehen, wie er eine Mitgift schaffte. Und sie würde dafür sorgen, dass manch ein Heller vorher den Weg in ihren Beutel fand.
Vor der Kirchentür beobachtete sie den höflichen Abschied des Platzmeisters von seiner Familie und schlug in sicherer Entfernung hinter ihm den Weg zum Stadthaus ein. Nachher erwartete sie der hübsche Turmwächter. Es würde ein schöner und einträglicher Sonntag werden.
Nach der Messe zerstreute sich die Gruppe. Man hatte Bekannte getroffen, neue Gesellen kennengelernt, mit denen man sich ausgiebig unterhalten wollte. Erst als die Essenszeit näher rückte, sammelten sich die Spielleute wieder im Wilden Mann. Das Agnus Dei der Franziskaner pfeifend, ging Tamas daran, den Bären von seinem Mauerring im Stall loszumachen. Dass Lene noch gar nicht da war, schien ihm nicht aufzufallen. Erst draußen im Hof schaute er sich suchend um, als erwarte er, dass jemand von den Umstehenden ihre Rolle übernehmen würde.
Franz bemerkte erschrocken, dass niemand vor ihm stand und Tamas ihn auffordernd anstrahlte. Hastig schob er sich hinter Robert und seine Familie und überließ den Tanz mit dem Bären Elbelin, der eben mit Gottfrid vom Paulusstift zurückkehrte.
Der Junge drehte sich lachend zu ihm um. ťHast du Angst vor Meister Petz? Dabei hat er doch schon gezeigt, wie höflich er sich benehmen kann. Sogar Damen gegenüber.Ť
Alheit reckte den Hals. Was hatte Elbelin mit dem Bären vor? Oder hatte Tamas den Jungen als Opfer ausgewählt? An einen Zufall wollte sie nicht glauben. Sie schob sich in die Nähe der Küchentür, wo das Brennholz aufgesetzt war, und nahm hinter ihrem Rücken ein Scheit in die Hände. Vielleicht würde es nicht viel helfen, aber sie wollte etwas zum Werfen haben.
Mit einer Verbeugung grüßte Elbelin den Bären. ťGuten Tag, Meister Petz. Eure Dame ist heute leider auf Venusfahrt, Ihr müsst mit mir Vorlieb nehmen.Ť
Leichtfüßig sprang er um den Bären herum, der sich auf den Hinterbeinen um sich selbst drehte. Tamas nickte zufrieden und begann, Elbelin verschiedenes Spielzeug zuzuwerfen. Der sah sich die Dinge kurz an, dann animierte er Petz zu denselben Bewegungen, wie Lene es in den vergangenen Tagen getan hatte. Er trug die Rotta noch bei sich. Darauf zupfte er nun eine der Melodien, die Tamas immer für seinen Mazko fidelte, und führte den Bären im Reigen um den Hof. Gottfrid schloss sich ihnen mit dem Rebec an, dann kam Tamas dazu und Robert mit der Flöte.
Franz konnte sich dennoch nicht überwinden. Er folgte dem Zug, bis er die Treppe zur Schlafkammer erreicht hatte, und eilte hinauf. Dabei sah er noch, dass Wolfram es ihm gleichgetan hatte. Dieser spuckte verächtlich aus, bevor er das Kaminzimmer betrat.
Elbelin tanzte vor der Reihe her, auf die Tür des Schankraums zu. Als er die Küchentür passierte, trat Klaus mit dem Kessel und der Schöpfkelle heraus und schlug kräftig zu. Der Bär erschrak vor dem Lärm. Mit einem Prankenhieb, der Elbelin knapp verfehlte, fiel er auf alle viere und galoppierte in Richtung Stall. Alheit schleuderte ihr Holzscheit hinter ihm her. Katherine schrie auf. Die Spielleute sprangen hastig auseinander. Voller Angst schlug Klaus noch einige Male heftig auf den Kessel, während er sich in die Küche zurückzog.
Tamas wartete, bis sich die erste Aufregung gelegt hatte, dann ging er fidelnd und auf Ungarisch singend hinter dem Bären her zum Stall. Das Wiegenlied, das er auch am Freitagabend gespielt hatte, klang noch eine Weile durch die offene Tür. Dann endete die Musik. Tamas kam heraus und schloss ab. Da erst verließ Franz seinen Posten oben an der Treppe und folgte dem Ungarn in den Schankraum.
ťBringen Instrumente später in StallŤ, verkündete der drinnen, ťist besser.Ť
Inzwischen war Lene wieder aufgetaucht, als ob sie die Gesellschaft gar nicht verlassen hätte. ťWieso? Was hat es denn gegeben?Ť
Elbelin und Gottfrid erzählten abwechselnd von dem Auftritt, und Lene
Weitere Kostenlose Bücher