Die Schule der Spielleute
kennten.
Es dauerte eine Weile, bis sie mit dem Singen beginnen konnten. Die Frauenstimmen fügten sich nicht in den Satz, wie ihn Meister Wolfram aus seinem Buch vortrug. Der Meister verschoss viele böse Blicke in Marjories Richtung und ließ die Sänger immer wieder von Neuem beginnen. Schließlich nahmen die beiden Harfe und Rebec auf nach einem zustimmenden Nicken von Gottfrid und begleiteten damit die Männer.
Für Franz hätte das Lied ewig so weitergehen können. Er ließ sich mit der Melodie treiben wie in einem klaren Strom. Obwohl keiner die Sprache richtig beherrschte, sang er mit Tamas und Israel wie ein Mann, bis die unterschiedlichen Läufe im gleichen Punkt zur Ruhe kamen. Für Franz war das Ende des Liedes wie die Rückkehr aus einer anderen Welt. Tamas erging es ebenso, seinem ernüchterten Gesicht nach zu urteilen.
Meister Wolfram dagegen hatte sogleich etwas daran zu ändern. ťDies ist ein Liebeslied, kein Messgesang, und ihr tretet meist allein auf. Daher müsst ihr euch auf eurem Instrument begleiten.Ť Er zeigte auf der Laute, was er meinte. Dass Marjorie und Katherine das bereits getan hatten, erwähnte er nicht.
Franz überlegte. Wenn er Alheit überreden könnte, etwas Leiseres zu spielen als die Schalmei zum Beispiel den Sopran auf der Flöte
, aber diese Stimme hatte es in sich. Er probierte auf der Laute und musste feststellen, dass er noch viel zu langsam war.
Meister Wolfram nickte seinen Schülern ernst zu. ťIch glaube, ihr habt es begriffen. Übt das Stück allein, in einer Stunde treffen wir uns wieder.Ť
Nach dem Gespräch mit dem Buckligen war Alheit nicht sogleich auf den Boden über dem Kaminzimmer zurückgekehrt. Zwar wollte sie die Stücke der vergangenen Woche auf der Flöte probieren. Doch mit den Gedanken war sie nicht bei der Sache. Sie hing noch dem nach, was sie von dem Buckligen erfahren hatte. Wenn der heimliche Beobachter nicht log, war der Jude wohl unschuldig. Es erschien ihr außerordentlich merkwürdig, dass Elbelin nicht selbst sofort auf diesen Gedanken gekommen war.
Da ging sie lieber in die Stadt und hörte, was die Spielleute über ihresgleichen zu erzählen hatten. So machte nun Lenes Gerücht, dass Elbelin den Ungarn bestohlen hätte, überall die Runde. Viele plapperten es nach und bliesen es weiter auf, einige schienen es in der Tat zu glauben, andere verteidigten den Jungen. Darunter Johann Schure, der Dudelsackbauer. Alheit wusste nicht, auf welche Seite sie sich schlagen sollte. Sie hatte Elbelin und Gottfrid beim Geld zählen beobachtet. Doch die Erklärung, die sie dafür erhalten hatte, war glaubhaft. Inzwischen hatten ihr mehrere Spielleute bestätigt, dass die beiden im Dienst des reichen und mächtigen Erzbischofs von Trier gestanden hatten. Wieder zählte Johann Schure zu denen, die Bescheid wussten.
Er bot eine andere Erklärung an: ťWenn mir jetzt jemand sagte, er hätte einem die Frau oder die Tochter verführt ja, das würde ich eher glauben.Ť Dabei zwinkerte er, doch Alheit hatte nicht den Eindruck, dass er im Scherz sprach. Wer käme da infrage?
Eifersucht auf Lene erschien ihr unwahrscheinlich. Katherine verbrachte viel Zeit mit den beiden Burschen, meist aber unter den Augen ihrer Eltern.
Blieb noch Franz. Diesen Gedankengang verbot sie sich. Lieber wollte sie nachdenken, wie der Freitag verlaufen war, wer wann Gelegenheit zu dem zerstörerischen Werk gehabt hatte.
Lene tanzte mit dem Bären. Hatte Alheit nicht selbst festgestellt, welch eine gute Ablenkung das war? Sie versuchte sich das Bild auszumalen. Lene und Tamas waren vor aller Augen beschäftigt. Franz stand an der Tür zum Schankraum. Er würde sich nicht über den Hof bewegen, solange der Bär tanzte.
Die anderen waren ebenfalls dort versammelt, Elbelin und Gottfrid ganz vorn. Die Küchentür war umlagert von Leuten, die eigentlich drinnen bei der Arbeit sein sollten. Wenn nun jemand von ihnen den Spielleuten gram wäre? Die Köchin, die von dem Lärm ganz krank wurde, wie Klaus behauptet hatte? Der Junge selbst, weil er sie beschützen wollte?
Alheit schüttelte den Kopf. Sie hatte die Bruchstücke des Dudelsacks gesehen. Jemand hatte ihn fachmännisch auseinandergenommen und die einzelnen Teile zerstört.
Sie kehrte wieder zum Verlauf des Freitags zurück. Beim Essen waren alle versammelt gewesen. Dann hatten sie ihre Instrumente wieder hervorgeholt und weitergespielt.
Und Franz war dabei merkwürdig lange ausgeblieben.
Lene auch.
Dieser
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