Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
reichte ihn über den Tisch.
»Es ist ein paar Jahre alt«, sagte sie. »Aber wir haben kein anderes gefunden, und sie hat sich nicht groß verändert.«
Sammelmerk nahm das Foto und betrachtete es einen Moment lang. Es genügte, um festzustellen, dass Ester Peerenkaas die Tochter ihrer Mutter war. Die gleichen glatten, zarten Gesichtszüge. Die gleichen Augen, der gleiche weich gezeichnete Mund. Dunkles, glattes Haar, ein großzügiges Lachen.
In den Dreißigern, vermutete sie. Ein paar Jahre mehr jetzt also. Hübsch, für sie sollte es kein Problem sein, sich einen Kerl zu angeln… wenn nur der Wille dazu vorhanden war. Sie überlegte, was für eine Art Trauma wohl mit ihrer Ehe verbunden war, es schien auf jeden Fall etwas mehr als die Scheidung allein zu sein.
Sie schob das Foto wieder in den Umschlag.
»Danke«, sagte sie. »Wir werden tun, was wir können, um Klarheit in die Sache zu bringen. Wenn Sie mir jetzt nur noch die Adresse Ihrer Tochter geben und mir sagen, wie wir Sie erreichen können, dann werden wir uns… sagen wir – morgen? – bei Ihnen melden.«
Clara Peerenkaas zog eine Visitenkarte aus ihrer Handtasche.
»Sie können auch schon heute Abend anrufen. Auch wenn Sie nichts herauskriegen… Wir werden heute Nachmittag wieder nach Hause fahren. Unsere Handynummer steht auch auf der Karte… Esters Adresse und so auf der Rückseite.«
Sammelmerk versprach, spätestens um sieben Uhr anzurufen. Frau Peerenkaas stand auf, reichte ihr die Hand und verließ das Zimmer.
Inspektorin Sammelmerk stellte das Tonbandgerät ab und lehnte sich zurück.
Schöne Frau verschwunden, dachte sie.
Es war nicht das erste Mal in der Weltgeschichte, und es ging nur selten glücklich aus. Selten oder nie.
Hastig überschlug sie im Kopf, welche Aktionen jetzt in die Wege geleitet werden mussten.
Ihre erste war es, den Telefonhörer aufzunehmen und Inspektorin Moreno anzurufen.
Als Hauptkommissar Reinhart nach Hause kam, merkte er, dass etwas in seiner Seele juckte.
In seiner Bullenseele, genauer gesagt, nicht in seiner privaten. Obwohl das manchmal schwer auseinander zu halten war.
Seine Frau und seine Tochter waren nicht zu Hause, aber es lag ein Zettel auf dem Küchentisch. Auf dem stand, dass sie sich drei Treppen tiefer befanden, bei Julek und Napoleon.
Julek war der Bräutigam von Reinharts Tochter, beide so um die drei Jahre alt. Napoleon war eine Schildkröte, bedeutend älter.
Julek hatte auch eine Mutter, aber sie hatte unglücklicherweise eine Tagung, deshalb waren Winnifred und Joanna ausgerückt.
Sie würden schätzungsweise gegen neun Uhr zurückkehren, stand auf dem Zettel. Reinhart war willkommen unten, wenn er Lust dazu hatte, ansonsten war noch Auflauf im Kühlschrank. Brauchte er nur aufzuwärmen.
Er schaute auf die Uhr. Erst kurz vor sieben.
Er zögerte eine Weile, dann holte er den Auflauf heraus und stellte ihn in den Backofen. Setzte sich an den Tisch und begann, seine Seele zu kratzen.
Es war natürlich dieser Fall. Wieder einmal, immer, immer wieder.
Er ging bald in seinen vierten Monat, das war eine verdammt lange Zeit.
Und kaum eine Feder an den Hut zu stecken. Man war auch schon in ein neues Jahr gekommen, es war immer ein dummes Gefühl, einen ungelösten Fall mit über den Jahreswechsel nehmen zu müssen, das hatte er schon früher so empfunden. Als ob diese schweren Weihnachts- und Silvesterfeiertage eine Art dunkle Verjährungsfrist auf alle Verbrechen ausübten… alte Fäden im Januar wieder aufzunehmen, das war immer mit einem zähen und muffigen Gefühl verbunden, als ob es um eine archäologische und nicht eine kriminologische Arbeit ginge.
Aber in erster Linie war der Hauptgrund für seine Irritation natürlich Inspektor Baasteuwels Besuch gewesen, das Gespräch mit ihm. Genau genommen hing sie schon den ganzen Nachmittag über ihm, und das war ja auch eigentlich kein Wunder.
Sie hatten noch zusammen zu Mittag gegessen, und wenn Reinhart es nicht schon früher bemerkt haben sollte, so stellte er jedenfalls nun fest, dass Baasteuwel kein Standardkriminaler wie jeder andere war.
Intelligent. Allein das war ungewöhnlich. Respekt- und anspruchslos. Und offenbar behaftet mit der gleichen dummen Veranlagung wie er selbst, dass seine Seele juckte.
Ein Mörder lief frei herum. Das war der Knackpunkt.
Das Ziel der Arbeit der Kriminalpolizei war es ja gerade, dass kein Mörder frei herumlaufen sollte. Es gab natürlich auch noch andere Aspekte ihrer Arbeit, aber
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