Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
Rücken.
»Gag«, sagte Andrea.
»Ja, ja, ja«, sagte Van Veeteren.
Ulrike stand auf.
»Ich werde das Gratin in den Ofen schieben. Marlene wird in einer halben Stunde hier sein. Aber, ehrlich gesagt, glaubst du nicht, dass wir uns gefunden hätten, wenn wir eine Chance dazu gehabt hätten, als wir noch jung waren?«
»Aber selbstverständlich«, nickte Van Veeteren. »Ich hätte dich auf dem Grunde des Meeres gefunden, wenn es nötig gewesen wäre, und außerdem habe ich irgendwo gelesen, ich glaube, es war bei Heerenmacht, dass die Wege des Herrn unergründlich sind. Wenn man nur…«
Er konnte den Gedankengang nicht weiter ausführen, da das Telefon klingelte. Ulrike ging dran.
»Ja?«, sagte sie.
Dann sagte sie in genau dieser Reihenfolge: »Ja«, »ja«, »was?«, »nein« und: »Ja, er sitzt hier.« Legte sodann die Hand auf den Hörer und flüsterte: »Der Polizeipräsident.«
»Äh?«, sagte Van Veeteren.
»Hiller. Der Polizeipräsident. Er will mit dir reden.«
»Ich bin nicht zu Hause.«
»Es klingt äußerst dringend.«
»Sag ihm, dass er vier Jahre zu spät kommt.«
»Aber er…«
»Und dann noch am Sonntagnachmittag. Sieht er denn nicht, dass ich beschäftigt bin?«
»Es ist etwas mit Reinhart.«
»Reinhart?«
»Ja.«
»Was ist mit Reinhart?«
»Darüber will er ja gerade mit dir reden.«
Van Veeteren dachte zwei Sekunden lang nach. Dann seufzte er tief und tauschte seine süße Enkelin gegen einen Telefonhörer voll mit einem hässlichen Polizeipräsidenten.
Das Gespräch dauerte fast eine halbe Stunde, und genau in dem Moment, als er den Hörer auflegte, trat Marlene Frey nach einer gut überstandenen Wochenendschufterei bei Merckx durch die Tür, dem Supermarkt, in dem sie jetzt seit zwei Monaten arbeitete. So gab es erst nach dem Essen Gelegenheit, den unerwarteten und gerissenen Sabbatbruch des Polizeipräsidenten zu kommentieren – als Mutter und Tochter sich auf den Heimweg begeben hatten und Gastgeber und Gastgeberin wieder aufs Sofa niedergesunken waren.
»Das ist doch merkwürdig«, sagte Van Veeteren. »Als ob es mich jagen würde.«
»Ja?«, fragte Ulrike Fremdli neutral. »Was ist es, das dich jagt?«
Van Veeteren dachte nach.
»Etwas.«
»Etwas?«
»Ja. Ich kann es noch nicht präzisieren, aber es verfolgt mich auf jeden Fall. Der Olivenkern und der Pfarrer und Strawinskys arme Schwalbe… Erinnerst du dich an den Morgen im Herbst, als wir gerade aus Rom zurückgekommen sind?«
Ulrike nickte.
»Diese erwürgten Frauen… und Robert Musil! Und jetzt ist da vielleicht noch eins.«
»Noch ein Musil?«
»Nein, leider nicht. Ein neues Opfer.«
»Noch eine erwürgte Frau?«
»Ja, zumindest deutet so einiges darauf hin. Aber sie haben sie noch nicht gefunden. Sie ist nur verschwunden, also gibt es vielleicht noch Hoffnung.«
»Verdammt.«
»Das kann man wohl sagen. Und es ist auch diesmal keine lustige Geschichte. Aber das ist ja eigentlich der ganze Mist an dieser ganzen Polizeiarbeit…«
»Was meinst du?«
»Dass es nie ein gutes Gefühl ist, wenn man seine Aufgaben erledigt hat. Wenn alles zu Tage getreten ist. Es gibt kein Gefühl der Befriedigung, während die Arbeit am Laufen ist und hinterher auch nicht. Es ist eher wie bei einer… ja, ungefähr wie bei einer geglückten Amputation.«
»Ich verstehe«, sagte Ulrike. »Und was ist es, das da amputiert wird?«
»Ein Stückchen von der Seele«, sagte Van Veeteren. »Von der lichten Seite der Seele. Aber Gott sei Dank habe ich ja aufgehört, warum sitzen wir also hier und machen uns finstere Gedanken?«
Ulrike nickte nachdenklich und nahm seine Hand.
»Was ist mit Reinhart?«, fragte sie.
»Liegt im Gemejnte«, sagte Van Veeteren. »Ist von einem Bus angefahren worden.«
»Was? Von einem Bus angefahren… ?«
»Ja. Wie zum Teufel kann so etwas passieren? Gestern in der Keymerstraat. Knochenbrüche an drei Stellen. Ein paar Frakturen hier und da. Sie haben ihn acht Stunden lang operiert, aber es wird wieder. Alles ist gut gegangen, wie Hiller behauptet.«
»Also ein Unfall?«
»Ja. Aber der kommt reichlich ungelegen, sie haben offenbar gerade eine Art heißer Spur in dem Fall dieses Würgers gefunden. Und jetzt liegt der Ermittlungsleiter in Gips… deshalb hat Hiller angerufen.«
»Ja und?«
»Wie gesagt.«
Es blieb still auf dem Sofa. Van Veeteren schaute zur Decke. Ulrike sah ihn über den Rand ihrer Lesebrille an. Es vergingen fünf Sekunden.
»Nun?«
»…«
»Nun? Du musst es nicht in
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