Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden
die Schere zehn Zentimeter im Bauch, der Schwanz wie ein pathetischer kleiner Wurmfortsatz und die Hose um die Schenkel schlackernd?
Dass er nicht gestorben war?
Dass er trotz allem noch lebte?
Zumindest in dem Moment, in dem Augenblick, als sie ihn verließ und wie eine verschreckte Wahnsinnige in die Nacht hinausgelaufen war, mit einem Verstand, zersplittert wie ein Eiszapfen unter dem schweren Stiefel der Wirklichkeit?
Woher kommen diese Worte?, überlegte sie plötzlich.
Die schweren Stiefel der Wirklichkeit?
Wahrscheinlich etwas, was sie gelesen hatte, einsame Mädchen lesen die meisten Bücher auf der ganzen Welt, das hatte eine Lehrerin einmal in der vierten Klasse vor der versammelten Elternschaft verkündet, was so ein aufschlussreiches Wissen nun immer für einen pädagogischen Wert haben mochte, aber es war natürlich nicht besonders sinnvoll, darüber gerade jetzt nachzudenken, hier zu sitzen und zu versuchen, die eigenen zweifelhaften Gedanken auf ihren zweifelhaften Ursprung zurückzuführen… wichtiger war es, sie zu sammeln, sie in die richtige Richtung zu bringen und ein wenig Klarheit zu schaffen. Zu beschließen, was sie machen sollte. War sie betrunken? Schon nach eineinhalb Glas zumindest beschwipst? Nicht auszuschließen, sie hatte während der letzten drei Tage kaum etwas gegessen, so gut wie nichts, und der Alkohol trifft einen mit größerer Kraft, wenn man einen leeren Magen hat, das wusste sogar sie. Sogar Monica Kammerle wusste das – aber es gab eine andere Sache, die sie nicht wusste, und das war genauer betrachtet in diesem Augenblick für sie das Allerwichtigste auf der Welt.
War er tot?
War Benjamin Kerran wirklich da oben im Badezimmer gestorben? Hatte sie seinem Leben ein Ende gesetzt, indem sie ihm die Schere in den Bauch gestoßen hatte, oder hatte sie ihn nur verletzt?
Scheiße, dachte sie und leerte die Tasse. Verdammte, blöde Scheiße, ich weiß es nicht. Ich bin eine so verflucht nutzlose Idiotin, dass ich nicht einmal weiß, ob ich ihn nun umgebracht habe oder nicht! Idiotin, Monica Kammerle, du bist nur eine arme, blöde Idiotin und bald genauso verrückt wie deine Mutter, und ihr werdet noch alle beide im Irrenhaus enden, das ist nur noch eine Frage der Zeit, wann ihr da unter gelben Decken liegt und euch gegenseitig Gesellschaft leistet in dem leichten Geruch nach verwesenden Nelken und schlecht gewaschenen Körpern…
Fast wie eine Bestätigung dieser letzten Feststellung brachen im gleichen Moment zwei Männer an einem anderen Tisch in Gelächter aus.
Ein rohes, rasselndes, lautes Gelächter wie aus einem alten Horrorfilm, begleitet von Flüchen, auf den Tisch fallenden Fäusten und Füßetrampeln. Sie beugte sich vor und konnte sie durch ein spärliches Spalier sehen, an dem eigentlich einige Rankengewächse hatten wachsen sollen, was sie aber nicht getan hatten und wohl auch nie tun würden. Sie sah, wie der eine Kerl mit dem Griff eines Teelöffels in seinem rechten Ohr bohrte und wie der andere einen Hustenanfall bekam, was der Fröhlichkeit ein definitives Ende bereitete.
Sie schaute auf die Uhr und stand auf. Fünf nach eins. Zeit, sich nach Hause zu begeben, da gab es keinen Zweifel. Und das Duisart’s war auch nicht gerade der geeignete Ort für junge Mädchen, die Nächte zu verbringen, ganz und gar nicht.
Zeit, herauszufinden, wie es sich nun wirklich verhielt.
Daheim in der Moerckstraat ins Bett zu kriechen und Pläne zu schmieden genauer gesagt. Unter der Decke zu liegen und zu überlegen, wie sie sich verhalten sollte. Genauer gesagt.
Ich bin bescheuert, dachte sie, als sie wieder draußen auf der Gasse stand. Meine Gedanken sind bescheuert. Ich bin besoffen, bei einigen geht das ganz schnell. Ich bin eine besoffene Mörderin, obwohl ich erst sechzehn Jahre alt bin.
Und dann fühle ich mich auch noch sauelend, verdammter Scheiß…
Die Nachtluft und die Wanderung durch den kalten Regen brachten sie wieder zur Besinnung, und als sie in der Moerckstraat ankam, hatte die Angst in ihr erneut die Oberhand gewonnen.
Ihre Mutter saß vor dem Fernseher, auf dem eine weitere blaugetönte Krimiserie mit leise gestelltem Ton lief. Es war halb zwei Uhr. Der Geruch nach etwas Unreinem drang aus der Küche, aber das war sicher nur die Mülltüte.
»Was guckst du da?«, fragte sie.
»Weiß ich nicht«, antwortete die Mutter.
»Willst du nicht lieber ins Bett gehen?«
»Bin doch gerade erst aufgewacht«, erklärte die Mutter.
»Ach so. Ich gehe
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