Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden

Titel: Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod - Svalan, katten, rosen, döden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
Vom Netzwerk:
Das klang nicht so gefährlich. Und hatte man nicht das Recht, sich gegen sexuellen Zwang zu verteidigen, oder? Vielleicht konnte sie sich auf Vergewaltigungsversuch und Notwehr, etwas in der Richtung berufen?
    Sie zuckte zusammen und merkte, dass sie sich von den Grundvoraussetzungen entfernt hatte. Dass sie ihn aus freien Stücken mehrere Male geliebt hatte, dass es kaum etwas nützte, über mögliche Strafmaße zu spekulieren.
    Außerdem ist er tot!, beschloss sie plötzlich und presste die Kiefer zusammen. Er kann nicht am Leben sein und sich nicht melden! Unmöglich. Er liegt da oben im Badezimmer und verrottet, alte Steinhäuser sind solide gebaut, es kann Monate dauern, bis der Geruch durchdringt. Zumindest Wochen. Jugendstil, hat er das nicht gesagt?
    Aber es war natürlich nicht der Leichengeruch, der der springende Punkt war. Man müsste sich doch an seiner Arbeitsstelle wundern – in der Stadtverwaltung oder wo auch immer –, und früher oder später würde man ernsthaft vermuten, dass etwas nicht stimmte. Und es war vermutlich schon soweit, Arbeitskollegen und gute Freunde… auch Verwandte, wenn er nun irgendwelche Nahestehenden hatte, sie wusste nichts davon… man würde natürlich begreifen, dass etwas im Busche war, es lebten nicht alle so isoliert wie eine gewisse Mutter und eine gewisse Tochter in einer kleinen erbärmlichen Wohnung in der Moerckstraat.
    Sie stand vom Tisch auf und trug den Zeitungsstapel zurück zum Ausleihtresen. Tot, stellte sie noch einmal fest. Ich habe Benjamin Kerran getötet, es ist nur eine Frage der Zeit, wann man die Leiche findet und ganz Maardam darüber lesen kann.
    Aber gerade als sie der kräftigen Bibliothekarin für deren Hilfe danken wollte, schoss es ihr plötzlich wieder durch den Kopf.
    Monica!
    Sie spürte, wie sie schwankte, und beeilte sich, durch die Tür zu kommen. I’m a sick rose, dachte sie . A sick, sick rose.
    Thy dark secret love does my life destroy.
    Es dauerte bis zu einem Nachmittag vier Tage später, erst dann verließ sie das nächste Mal die Wohnung. Vier Tage. Schwer wie Blei und leer wie ein Vakuum.
    Bereits an der Ecke der Falckstraat und Zwille lief sie fast ihrer Englischlehrerin, Frau Kluivert, in die Arme, und nur ein paar Minuten später sah sie eine Gruppe von Klassenkameradinnen über den Grote Markt gehen. Mädchen, die einander untergehakt hatten, künstlich lachend, es war Samstag, und sie hatten frei.
    Sie meisterte beide Unglücksfälle, überstand sie mit Mühe und Not, mit angehaltenem Atem, beschloss aber, ihr Vorhaben auf den Abend und die Dunkelheit zu verschieben. Begriff, dass das Licht, die bleiche Septembersonne, nicht ihr Verbündeter in dieser Sache war.
    Nicht, dass sich jemand besonders darum gekümmert oder auch nur einen Finger gerührt hätte und hätte wissen wollen, warum sie seit über einer Woche nicht mehr in der Schule gewesen war. Weiß Gott nicht.
    Aber sie hatte keine Lust, jemanden zu treffen. Ganz einfach. Es war ihre Sache, um die es ging, nicht die der anderen. Sie wollte mit niemandem reden und nicht einmal den Blicken der anderen begegnen. Diese Menschen hatten nichts mit ihr zu tun, hatten es nie gehabt und jetzt noch weniger als je zuvor. Alles war, wie es immer gewesen war, aber ihr Leben hatte eine Art Deutlichkeit erhalten, die es vorher nicht gehabt hatte. Eine Durchsichtigkeit.
    Als sie wieder zu Hause war, fand sie ihre Mutter am Telefon. Einen Augenblick lang dachte sie, es könnte Benjamin sein, und ihr Herz machte einen Satz in der Brust. Aber dann hörte sie, dass es Tante Barbara war und dass es sich nur um das obligatorische Kontrollgespräch handelte, das jede dritte oder vierte Woche stattfand, so sicher wie eine Weihnachtskarte mit der Post kam – und das ebenso viel Fürsorge und schwesterliche Liebe beinhaltete, wie es Blut in einem Eiskristall gab. Um eine Beschreibung zu benutzen, die ihr Vater mal verwandt hatte. Seine tief empfundene Meinung.
    Ihre Mutter wahrte, soweit sie konnte, die Haltung, und das Gespräch war nach einer Minute beendet.
    »Hast du diesen Benjamin eigentlich noch mal getroffen?«, schlüpfte es Monica heraus. Sie hatte diese Frage nicht geplant, hatte plötzlich das Gefühl gehabt, als hätten die Worte einen eigenen, unkontrollierbaren Willen. Sie wusste ja, dass ihre Mutter seit einer Woche gar nicht vor der Tür gewesen war.
    »Benjamin?«, wiederholte ihre Mutter, als hätte sie fast vergessen, wer das war. »Nein, ich denke, das wäre keine

Weitere Kostenlose Bücher