Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die schwarze Hand des Todes

Titel: Die schwarze Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
Vom Netzwerk:
aufhielt. Auch ihre Hände waren blass, die Rücken flach und formlos. Fry fragte sich, ob Maggie wohl jemals mit Gewichtsproblemen zu kämpfen gehabt hatte. Jetzt konnte davon offensichtlich keine Rede mehr sein. Ihre Wangenknochen traten deutlich hervor, ebenso die eckigen Schultern unter dem schwarzen Jackett. Fry trug selbst am liebsten Schwarz. Aber bei Maggie schien mehr dahinter zu stecken. Es ging nicht so sehr darum, dass die Farbe praktisch und modern war und darüber hinaus auch noch schlank machte. Bei ihr schwang in dem Schwarz eine Stimmung mit. Sie spiegelte das innere Dunkel nach außen. Fast so, als trüge sie Trauer.
    »Wo ist denn Ihre Kollegin abgeblieben?«, fragte Maggie.
    »Wir dachten, ein neuer Ansatz könnte nicht schaden.«
    »Ein neues Gesicht.« Maggie lächelte. Doch dabei kräuselte sich ihre Oberlippe ein klein wenig zu weit nach oben, entblößte das Zahnfleisch und vertrieb den Humor aus dem Lächeln.
    »So, so.« Sie musterte die Polizistin von oben bis unten, als ob sie eine Bewerberin um eine Dienstbotenstelle vor sich hätte. »Diane Fry. Und was wollen Sie anders machen?«
    »Ich will gar nichts anders machen. Ich möchte bloß mit Ihnen reden.«
    »Wissen Sie, von wie vielen Leuten ich diesen Satz schon gehört habe?«
    »Das steht alles in Ihrer Akte«, sagte Fry. »Ich habe mich kundig gemacht.«
    »Aber natürlich, Sie haben meine Akte gelesen. Sie sind mir gegenüber klar im Vorteil. Sie kommen hierher und wissen absolut alles über mich. Das muss sehr praktisch sein. Vielleicht bilden Sie sich ein, mich besser zu kennen, als ich mich selbst kenne. Vielleicht denken Sie, Sie wissen genau, wie ich ticke, wie Sie mein Unterbewusstsein manipulieren können?«
    »Niemand möchte Sie manipulieren, Maggie.«
    »Aber was wollen Sie dann? Was wollt ihr alle von mir? Wisst ihr denn immer noch nicht, dass ich euch das, was ihr sucht, nicht geben kann? Steht das nicht in der Akte?«
    »Wenn wir es immer wieder versuchen …«
    »Sie glauben, Sie können mich dazu bringen, mich zu erinnern? Und was dann? Schon möglich, dass meine Erinnerungen Ihnen weiterhelfen. Aber was ist mit mir? Was, wenn ich mich gar nicht erinnern möchte? Was, wenn mein Unterbewusstsein die Erinnerungen ausgelöscht hat?«
    »Denken Sie, das könnte der Fall sein?«
    »Die Ärzte sagen, es gibt keinen physiologischen Grund für den Gedächtnisverlust. Mein Gehirn wurde nicht geschädigt. Sie vermuten, es sei der Schock; sie nennen es Trauma. Es soll ein Schutzmechanismus sein, mit dem die Erinnerungen blockiert werden, die der Verstand nicht will. Er löscht sie aus.«
    Fry versuchte, sich ihre Skepsis nicht anmerken zu lassen. Einiges von dem, was ihr Gegenüber sagte, erkannte sie aus den medizinischen Gutachten wieder. Aber sie glaubte nicht daran, dass man Erinnerungen völlig ausradieren konnte, ganz egal, wie unangenehm sie auch sein mochten. Irgendwo hinterließen sie immer Spuren, durch irgendetwas konnten sie immer ausgelöst werden. Manchmal reichte eine Kleinigkeit, die Berührung durch ein Kleidungsstück, ein plötzlich nachhallender Laut oder ein undefinierbarer, übler Geruch. Erinnerungen waren wie eine Krebsgeschwulst, tückisch und bösartig. Oft machten sie sich erst dann bemerkbar, wenn es bereits zu spät war. Fry kannte sich mit Erinnerungen aus.
    »Für heute hatte ich eigentlich nur ein Vorgespräch geplant«, sagte sie. »Wenn es Ihnen recht ist, komme ich morgen wieder, um mich ausführlicher mit Ihnen zu unterhalten.«
    »Wenn es sein muss.«
    »Es ist äußerst wichtig.«
    »Aha.« Maggie zögerte. »Heißt das, es hat ein weiteres Opfer gegeben?«
    »Ja. Und es ist ungeheuer wichtig, dass wir den Täter fassen, bevor er noch einmal töten kann.«
    Maggie starrte Diane Fry mit ihrem gesunden Auge eindringlich an. In ihrem Blick lag nur kühles Interesse.
    »Sagten Sie töten?«
    »Ja, diesmal ist es Mord. Das Opfer ist tot.«
    Fry nahm absichtlich kein Blatt vor den Mund. Sie hoffte, doch noch irgendeine Reaktion aus Maggie Crew herauskitzeln zu können. Und sie wurde nicht enttäuscht. Maggies Hände fingen an zu zittern, und sie wurde kalkweiß im Gesicht.
    »Außerdem möchten wir Sie ins Zeugenschutzprogramm aufnehmen. Sie wissen, was das bedeutet?«
    »Natürlich. Ich bin schließlich Anwältin.«
    »Man wird Ihnen raten, wenn möglich, woanders zu wohnen, bis die Gefahr vorüber ist. Vorläufig lassen wir in Ihrem Appartment erst einmal eine Alarmanlage einbauen. Und dann

Weitere Kostenlose Bücher