Die schwarze Hand des Todes
gegen Kollegen, Geschäftspartner gegen Geschäftspartner. Keiner traut keinem. Wie oft man mich schon gebeten hat, einen Privatdetektiv anzuheuern, um in irgendwelchen schmutzigen kleinen Affären herumzuschnüffeln … Schlimm sind nicht nur die Mandanten. Meine Partner sind keinen Deut besser.«
»Sie kommen nicht gut mit ihnen aus?«
»Was die Arbeit angeht, gibt es keine Probleme. Aber sie sind alle gleich – selbstgefällig, blind für andere und von der Arbeit besessen. Sie kennen nichts außer ihrem Beruf. Ihre Existenzen sind sinnlos. Eines Tages werden sie merken, dass es noch mehr gibt im Leben. Aber dann ist es zu spät.«
Fry nickte. Diese Beschreibung erinnerte sie sehr an Maggie Crews Akte. Eine Geschichte beruflicher Erfolge. Andere Interessen, andere Menschen kamen dagegen so gut wie überhaupt nicht vor. Maggie sprach von sinnlosen Existenzen? Man brauchte sich bloß ihre Wohnung anzusehen, um zu wissen, wessen Leben das Unerfüllteste von allen war.
Maggie trank einen Schluck Kaffee und drehte ihren Stuhl wieder zum Fenster.
»Wären Sie dann so weit?«, fragte Fry.
Die Anwältin nickte und schloss die Augen.
»Erzählen Sie mir, was an jenem Tag passiert ist.«
Maggie brauchte nicht zu fragen, welchen Tag sie meinte. Ich bin das schon so oft durchgegangen. Ich kann mich nicht erinnern.«
»Wie hätten Sie den Tag normalerweise verbracht? Es war doch ein Sonntag, nicht wahr?«
»Schon gut, schon gut. An einem Sonntag hätte ich länger geschlafen als sonst und mir ein ausgiebiges Frühstück gegönnt. Toast, Marmelade, zwei Tassen Kaffee. Ohne Kaffee bin ich morgens nicht zu gebrauchen. Ich hätte mir die Nachrichten im Frühstücksfernsehen angeschaut. Vielleicht bin ich ans Fenster gegangen und habe gesehen, was für ein schöner Tag es war.«
Maggies Anspannung legte sich ein wenig. Je mehr sie sich auf äußere Fakten konzentrierte, desto ruhiger wurde sie. Die beste Technik bestand darin, möglichst wenig Fragen zu stellen. Der Zeuge sollte ermutigt werden, die Augen zu schließen und sich die Szenerie zu vergegenwärtigen, bis hin zum kleinsten Detail. Geräusche, Gerüche, Gefühle, alles konnte wichtig sein. Bei der Ausbildung der Beamten ging es heutzutage nicht mehr darum, eine Befragung aktiv zu lenken. Schon zu oft waren Angeklagte und Verteidiger vor Gericht mit der Behauptung durchgekommen, die Polizei hätte ihnen die Antworten in den Mund gelegt.
Möglicherweise würde dieser Teil der Zeugenbefragung eines Tages vollkommen automatisch durchgeführt werden. Zwei Kassettenrekorder, die die Antworten aufzeichneten, und ein dritter, der die standardisierten Phrasen wiederholte: »Schließen Sie bitte die Augen …«
»Sind Sie deshalb ins Ringham Moor gefahren? Weil es so ein schöner Tag war?«
»Das weiß ich nicht genau«, sagte Maggie.
»Schon gut.«
»Bis ins Ringham Moor ist es nicht weit. Ich bin dort schon oft spazieren gegangen. Vor allem, bevor ich in der Kanzlei Partnerin wurde. Später fehlte mir dann immer die Zeit dafür.«
»Gut. Machen wir einen kleinen Sprung. Sie sind also in Ringham angekommen …«
Maggie schwieg. Es war unmöglich, ihr an der beleuchteten Gesichtshälfte abzulesen, ob die Erinnerung zurückkam. Schließlich machte sie die Augen auf, und ihr Körper verspannte sich wieder.
»Steht in meiner Akte, dass ich bindungsunfähig bin?«
Fry konnte nur stumm nicken. Die Chance war ein für alle Mal dahin.
»Das dachte ich mir. Aber ich war vorher auch schon so«, sagte Maggie. »Immer viel zu beschäftigt für eine Beziehung. Und jetzt ist es zu spät.«
»Nicht unbedingt.«
»Das zu beurteilen überlassen Sie bitte mir. Ich fange gerade an, mich mit der Realität abzufinden. Die Menschen werden mich nicht mehr akzeptieren. Aber eigentlich haben sie mich noch nie akzeptiert.«
Fry runzelte die Stirn. Wenn in der Akte irgendetwas stand, was diese Einschätzung untermauerte, hatte sie es überlesen. Maggie Crew hatte eine ganz normale Kindheit und Jugend gehabt. Der Vater war Manager bei British Rail gewesen, und die Familie hatte in der Nähe von Chesterfield gelebt. Mrs Crew war vor einigen Jahren an Krebs gestorben, und Maggies einzige Schwester, Catherine, hatte geheiratet und war nach Irland gezogen. Ihr Vater lebte noch, und zwar gar nicht so weit entfernt.
Die beiden Töchter hatten in Chesterfield eine bekannte katholische Mädchenschule besucht und anschließend studiert. Maggie absolvierte ihr Jurastudium in Nottingham. Sie
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