Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die schwarze Hand des Todes

Titel: Die schwarze Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
Vom Netzwerk:
klamm, ganz anders, als ich gedacht hatte. Sie rochen feucht und modrig. Ich versuchte, sie mir vom Gesicht zu wischen. Einige hatten sich auch in meinem Haar verfangen, sie hingen fest wie Fledermäuse. Plötzlich war es kein Spaß mehr. Ich habe verzweifelt versucht, sie wegzubekommen. Ich habe den Kopf nach unten gehalten, um sie abzuschütteln.«
    Auf einmal hatte Maggie einen kindlichen Unterton in der Stimme. Aus dem Mund dieser erwachsenen Frau klang es einigermaßen befremdlich. Es war, als ob sie einen Vorfall aus ihrer Kindheit heraufbeschwor und nicht ein erst wenige Wochen zurückliegendes Trauma.
    Diesmal dauerte die Pause noch länger. Fry presste die Hände zusammen, um sich zu beherrschen. Sie durfte die Stille nicht unterbrechen. Sie vergewisserte sich, dass die Bänder noch liefen. Aber das Schweigen dauerte zu lange.
    »Ist sonst noch jemand da?«, fragte sie so behutsam wie möglich, auch wenn sie Maggie an dieser entscheidenden Stelle am liebsten zum Weiterreden gedrängt hätte.
    »Sonst noch jemand? Nein, sie ist nicht da.«
    Fry schüttelte den Kopf. Sie musste sich verhört haben. »Wer?«
    Maggie machte ein verwirrtes Gesicht, als ob sich in ihr zwei Erinnerungen überlagerten.
    »Ich hatte den Kopf gesenkt und blickte zu Boden«, wiederholte sie. »Ich habe auf die Erde geblickt, wo die Blätter waren. Darum habe ich ihn nicht gesehen.«
    Maggies Stimme war tonlos und brüchig geworden, als ob ihr jeden Augenblick die Tränen kommen würden.
    »Wenn ich die Blätter nicht aufgewirbelt hätte, hätte ich ihn kommen hören. Ich hätte weglaufen können.«
    »Wann wurde Ihnen zum ersten Mal bewusst, dass Sie nicht allein waren, Maggie?«
    »Da war er schon ganz nah.«
    »Woher wussten Sie das? Haben Sie ihn gehört?«
    »Die Blätter haben geraschelt. Es war zu laut. Ich habe nicht darauf geachtet.«
    »Gut. Sie haben ihn also nicht gehört. Haben Sie ihn vielleicht gerochen, Maggie?«
    »Gerochen?« Maggie machte ein nachdenkliches Gesicht. Ihre Nasenflügel bebten, als ob sie einem längst verflogenen Duft nachspürte.
    Fry wusste, dass Gerüche eine starke Wirkung auf das Erinnerungsvermögen hatten. Wenn Maggie sich nur an einen einzigen Geruch erinnern könnte, ein auffälliges Deo vielleicht, starken Körpergeruch oder Zigarettenrauch, dann hätten sie immerhin einen kleinen Anhaltspunkt.
    »Ich kann ihn nicht riechen«, sagte Maggie. »Nur die Blätter.«
    »Können Sie ihn jetzt hören?«, fragte Fry. Auch sie sprach jetzt in der Gegenwartsform.
    Maggies Blick war nach innen gekehrt. Lauschte sie? Fry war überzeugt, dass sie etwas hörte, ein ins Gedächtnis heraufbeschworenes Geräusch. Aber sie konnte nichts damit anfangen, solange sie es ihr nicht anvertraute.
    »Rascheln«, sagte Maggie nach einer Weile zögernd.
    »Wieder das Laub? Er ist durch das Laub gegangen. Sie haben seine Schritte im Laub gehört.«
    »Ja, das auch. Aber da war noch etwas anderes. Ein Rascheln wie von Plastik. Nein, nicht Plastik – Nylon. Er trug eine Regenjacke oder einen Anorak aus Nylon.«
    Fry war begeistert. »Ausgezeichnet, Maggie. Denken Sie genau nach. Können Sie die Jacke sehen? Welche Farbe hat sie?«
    Maggie schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Schwarz vielleicht. Oder blau.«
    »Gut. Können Sie sie beschreiben? Hat sie Knöpfe oder einen Reißverschluss? Hat sie eine Kapuze?«
    »Das kann ich nicht erkennen.«
    »Warum nicht?«
    Maggie zögerte. »Weil es dunkel ist.«
    Fry schnappte nach Luft. Sie warf einen Blick auf den Kassettenrekorder. Ob er das Gleiche gehört hatte wie sie? Sie starrte Maggie Crew an und kämpfte den Drang nieder, die Frau bei den Schultern zu packen und zu schütteln, bis sie ihr die wichtigste Frage von allen beantwortete.
    »Maggie«, sagte sie. »Warum waren Sie im Dunkeln im Moor?«
    Aber Maggie blieb stumm. Fry glaubte schon, sie sei ihr endgültig entglitten. Es war, als wäre sie in eine andere Welt hinübergewechselt, in eine Welt, die von Albträumen beherrscht wurde. Ihr Körper war stocksteif, das Gesicht von Angst verzerrt, die Augen zusammengekniffen. Sie schüttelte abrupt den Kopf, als wollte sie sich von Brombeerranken befreien, die sich in ihrem Haar verfangen hatten. Dabei war kurz ihre zerklüftete Narbe zu sehen, rosa leuchtend, wie eine frische Brandwunde.
    Doch da schlug Maggie auch schon die Hände vors Gesicht und presste die Finger gegen die Stirn. Ihr heftiges Atmen war das einzige Geräusch im Raum, ein abgehacktes Zischen durch

Weitere Kostenlose Bücher