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Die schwarze Hand des Todes

Titel: Die schwarze Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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die Nase. Auf den Tonbändern würde es nicht zu hören sein, obwohl sie sich noch immer drehten. Und dann war da noch ein Geräusch, ein hohes, leises Wimmern, wie das Keuchen eines Asthmakranken oder wie das Fiepsen eines kleinen Tieres, das überfahren am Straßenrand liegt.
    »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte Maggie. »Ich kann mich nicht erinnern.«

19
    Golden Virginia«, sagte Owen Fox. »Den rauchen sie am liebsten.«
    Owen hatte einen Sechserpack Bier in der einen und eine Büchse Zigarettentabak in der anderen Hand. Ben Cooper, der ihm folgte, machte ein zweifelndes Gesicht. Er hatte das Bier und den Tabak bezahlt, und er wusste ganz genau, dass er diese Spesen niemals ersetzt bekommen würde.
    »Und Sie glauben wirklich, das reicht?«, fragte Cooper. »Kommt mir ein bisschen so vor, als ob wir die Eingeborenen mit Glasperlen bestechen wollten.«
    »Anders kommt man an diese Esoteriker nicht ran«, antwortete Owen. »Man muss an ihren Materialismus appellieren.«
    »Ich meine ja bloß …«
    »Vertrauen Sie mir, Ben. Wozu bin ich schließlich Ranger?«
    Aber Ben Cooper war sich seiner Sache noch immer nicht ganz sicher. Eigentlich dürfte er überhaupt nicht hier sein. Es war kein offizieller Besuch – niemand hatte ihn beauftragt, Calvin Lawrence und Simon Bevington erneut zu befragen. Doch er musste einfach noch mal allein mit ihnen reden. Er konnte sich nicht richtig konzentrieren, wenn Diane Fry und eine Bande uniformierter Beamter um den Wagen herumstanden.
    Owen roch nach Rauch. Wahrscheinlich war er vor kurzem erst bei Cal und Stride gewesen, und der Geruch ihrer Selbstgedrehten hing noch in seiner roten Fleece-Jacke. An der Seitentür des VW-Busses bedeutete er Cooper, ein paar Schritte zur Seite zu gehen, damit man ihn nicht sofort sah. Dann klopfte er an. Es war ein ungewöhnliches Klopfen, eine bestimmte Abfolge kurzer und langer Signale. Nach einer halben Minute glitt die Tür einen Spalt auf.
    »Cal«, sagte Owen. »Wir kommen in Frieden.«
    »Ach du Himmel, unser Rotjäckchen. Was wollen Sie? Gibt’s keine Touristen, die Sie zur Schnecke machen können?«
    »Doch, aber ich mache lieber euch zur Schnecke.«
    Als Cal zur Tür heraus sah, entdeckte er Cooper. »Und was will der hier?«
    »Nur ein bisschen plaudern. Alles ganz freundschaftlich. Er ist in Ordnung, Cal.«
    Der Junge starrte Cooper an. »Der? In Ordnung? Der ist doch ein Bulle. Und Bullen sind Schweine. Basta.«
    »Er ist in Ordnung.«
    Cal nickte. »Dann mal her mit den Dosen. Nicht so geizig.«
    Owen zwinkerte Cooper zu, und sie kletterten in den VW-Bus. Coopers Sinne waren sofort hellwach, so stark waren die Gerüche und Eindrücke, die ihm entgegenschlugen. Cal und Stride hausten seit Monaten in dem Wagen. Alles miefte nach Tabakrauch, die Paneele und die Decken, Kissen und Schlafsäcke, die auf dem Boden verstreut waren. Dazu der strenge Geruch nach ungewaschenen Körpern und schmutziger Wäsche. Und darüber ein undefinierbarer Essensdunst, in den sich eine Spur von mindestens zwei Tage altem Curryhuhn mischte. Der zweiflammige Kocher hinter dem Fahrersitz verströmte zudem einen beunruhigenden Gasgeruch.
    Cooper zögerte, als er Stride sah. Er saß in der hintersten Ecke, kaum zu sehen in dem Dämmerlicht.
    »Kümmern Sie sich nicht um Stride«, sagte Cal. »Der macht sich bloß ein aurisches Ei.«
    Cooper beäugte den Jungen. Er saß vollkommen reglos da, den Oberkörper aufrecht, die Augen geschlossen, die Hände im Schoß. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von konzentrierter Ruhe. Cooper fragte sich, ob Stride wirklich nicht bemerkt hatte, dass jemand hereingekommen war. Kaum vorstellbar. Wahrscheinlich hatte er nur schauspielerisches Talent.
    »Um sich gegen negative Geistesenergien zu schützen«, erklärte Cal.
    »Aha.«
    »Er legt eine Schale um seine Aura.«
    »Von mir aus gern.«
    Owen ließ sich auf einem Kissen neben einer alten Kommode nieder. Cooper nahm auf der anderen Seite Platz. Etwas Hartes bohrte sich in seine Hüfte. Es war die Keksdose mit den kleinen Souvenirs, in der Stride seinen Studentenausweis gefunden hatte.
    Das ganze frühere Leben dieses Jungen war in diese Blechdose gequetscht. Auch wenn er sie vielleicht nur selten aufmachte, immerhin hatte er sie doch in sein neues Leben mitgenommen. Es war zwecklos, wenn er behauptete, die Erinnerungen an die Vergangenheit hätten keinen Wert mehr für ihn. Die Indizien bewiesen das Gegenteil.
    »Und was machen Sie hier so ganz allein?«, fragte Cal.

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