Die schwarze Hand des Todes
Toten das Gleiche gedacht hatten. Seine eigene Reaktion hatte er unter der Rubrik »Überhitzte Phantasie« abgelegt. Die Idee, dass Jenny Weston tanzend in den Tod gehen sollte, war zu grotesk für die nüchterne Frühbesprechung.
»Und wie kommen wir an Informationen über Leach?«, sinnierte Tailby.
Plötzlich war der Raum von Stimmengewirr erfüllt.
»Mit den Nachbarn reden?«, schlug jemand vor.
»Er hat keine Nachbarn«, wandte ein anderer Beamter ein.
»Dann mit Freunden.«
»Mit wem denn zum Beispiel?«
»Keith Teasdale. Der Rattenmann.«
»Ist das ein Freund von ihm?«
»Wohl noch am ehesten.«
Tailby hob lustlos die Hand.
»Okay, wir reden noch mal mit Teasdale. Gibt es sonst noch etwas?«
Cooper holte Luft. »Ja.«
Das allgemeine Gelächter verstummte.
»Ich habe mir wegen Warren Leach mal das Waffenregister angesehen.«
»Waffen?«, sagte Tailby, während alles gespannt lauschte. »Ich nehme an, Leach hat ein Gewehr, so wie die meisten Farmer?«
»Ja. Aber als ich neulich mit Owen Fox bei ihm war, hatte Leach ein Bolzenschussgerät in der Hand.«
»Ein was?«
»Die werden zur Schlachtung eingesetzt. Man schießt den Tieren einen Stahlbolzen direkt ins Hirn.«
»Braucht man dafür einen Waffenschein?«
»Offizielle Kopfschlächter nicht. Aber Warren Leach hat keine solche Lizenz. Man kriegt sie auch als normaler Farmer, wenn man nachweist, dass man sie braucht. Aber Leach hat nie einen Antrag darauf gestellt.«
»Also illegaler Waffenbesitz«, sagte Tailby. »Gut, wir nehmen ihn uns noch mal vor. Erst Teasdale, dann Leach. An die Arbeit.«
Jemand klopfte Cooper auf die Schulter, und Tailby schloss schleunigst die Sitzung, bevor noch irgendwer mit weiteren Fragen kam.
Inspector Hitchens gesellte sich zu Ben Cooper. »Nehmen Sie Diane Fry mit zum Viehmarkt statt Todd Weenink«, sagte er. »Sie kennen viele Leute da zu gut, das ist der Knackpunkt bei Ihnen. Diane sieht manches, was Ihnen entgeht.«
Fry hatte ihn aus der Entfernung schon im Auge. Cooper konnte ihren Blick nicht deuten, andererseits war er ja noch nie aus ihr schlau geworden. Vielleicht sah sie tatsächlich mehr als er – aber aus ihrer Miene in den letzten Tagen zu schließen, waren das Dinge, die er gar nicht sehen wollte.
Die beiden Farmer waren schon fast auf dem Heimweg. Für heute war die Viehauktion beendet, und auf den Parkplätzen standen nur noch ein paar Transporter, die auf ihre Ladung warteten. Die Männer trugen Latzhosen und Schlägerkappen, und so wie sie rochen, hatten sie nach Feierabend bereits einen Teil des Umsatzes in der Kneipe gelassen.
»Von dem, was die mir hier zahlen, kann ich mir noch nicht mal ein Bier leisten«, sagte der eine.
»Scheißvolk«, sagte der andere. »Die stecken alle unter einer Decke, die Händler.«
Ben Cooper nickte mitfühlend. »Ich weiß schon. Die Farmer kriegen ständig weniger, und dabei kostet das Fleisch in den Supermärkten immer noch das Gleiche.«
»Genauso läuft es. Das stinkt doch zum Himmel. Und wenn irgendwann der letzte Farmer pleite ist, was dann? Das würde mich mal interessieren.«
Cooper war schon ausgestiegen, während Diane Fry noch einen Funkspruch im Wagen entgegennahm. Es musste wohl irgendetwas Vertrauenerweckendes in seinem Blick liegen, das die Leute unweigerlich bewog, auf ihn zuzugehen und ihm ihr Herz auszuschütten.
»Dann kaufen sie ihr Drecksfleisch im Ausland, ganz einfach«, sagte der zweite Farmer. »Die brauchen uns nicht mehr. Kriegen alles, was sie wollen, anderswo billiger. Mit den Preisen hier machen sie uns einfach bloß schön der Reihe nach kaputt.« Er spuckte aus. »Scheißvolk, wie gesagt.«
»Wenn mal wieder so’n Krieg käme wie der letzte, dann sähen die alt aus.«
»Stimmt haargenau.«
Fry war mittlerweile ebenfalls ausgestiegen und hörte entgeistert der Unterhaltung zu. »Haben Sie das Drehbuch für die neueste Folge von ›Unsere kleine Farm‹ bald fertig? Dann würde ich gern von Ihnen erfahren, wo ich Keith Teasdale finden kann.«
Der erste Farmer wollte etwas erwidern, kniff dann aber die Lippen wieder fest zusammen.
»Da müssen Sie Abel Pilkington fragen«, sagte der andere. »Er ist irgendwo da drin. Was hat der Schlitzer denn angestellt?«
»Schlitzer?«
»Sein Spitzname.«
»Und woher hat er den?«
»Das fragen Sie ihn mal lieber selber.«
Cooper und Fry hatten hinter dem Viehmarkt neben einem Doppeldecktransporter geparkt, der mit dem Heck zur Ladezone stand. Sie kraxelten die
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