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Die schwarze Hand des Todes

Titel: Die schwarze Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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herauskomme. Aber Dad und ich, wir waren verschieden wie Tag und Nacht. Jedes Mal, wenn ich ein Buch gelesen habe, wäre er fast aus der Haut gefahren. Als ich angefangen habe, mich für Musik zu interessieren und in den Chor eingetreten bin, da hätte nicht viel gefehlt, dass er mich vor die Tür gesetzt hätte. Ich ging ihm doch kaum bis zur Schulter. In seinen Augen war ich ein Pygmäe.«
    Matt stand auf. Als er so vor Ben stand, die Stirn in wütende Falten gelegt, sah er mehr denn je wie Sergeant Joe Cooper aus.
    »Vielleicht hast du die Ähnlichkeit mit ihm wirklich nicht bemerkt, Ben«, sagte er. »Aber dann bist du auch der Einzige. Ich sehe ihn direkt vor mir. Vor allem jetzt, wo du an diesem Fall arbeitest, dem Mord an der Frau im Ringham Moor.«
    »Was, zum Donnerwetter, hat denn das damit zu tun?«
    »Du stehst hier, neben seinem Grab, an seinem Todestag, und du fragst mich nach diesem Warren Leach aus. Als ob mich das einen Scheißdreck interessiert. Aber Dad wäre stolz auf dich. Du hast doch genau die gleichen grandiosen Ideen im Kopf wie er, Gerechtigkeit und Wahrheit und so. Du bildest dir ein, du musst die Welt im Alleingang retten. Genau wie er. Du bist ganz genau wie er.«
    Bevor Ben antworten konnte, stapfte Matt zurück zum Grab. Er ordnete die Blumen vor dem Stein und las die Inschrift.
    Ben stand auf. »Es tut mir Leid, Matt.«
    Sein Bruder drehte sich halb zu ihm um. Seine Augen schimmerten feucht, und er wischte sich mit dem Handballen über das Gesicht. »Du kannst ja auch nichts dafür, Ben«, sagte er. »Wir können beide nichts dafür.«
    Schweigend gingen sie über den Friedhof zurück, vorbei an einem Gärtner, der das Laub zusammenrechte. Am Wagen blieb Matt stehen und blickte noch einmal zurück. Das Grab ihres Vaters war nicht mehr zu erkennen. Es war in der anonymen Masse der anderen Grabsteine aufgegangen, verschluckt von den Toten Edendales.
    »Ben … Was diesen Warren Leach angeht«, sagte Matt.
    »Ja?«
    »Man erzählt sich, dass seine Farm in großen Schwierigkeiten steckt. Die Gläubiger fordern ihre Kredite ein, die übliche Geschichte. Er steht kurz vor der Pleite, aber er will es nicht wahrhaben. Er würde erst zugeben, dass etwas nicht stimmt, wenn es zu spät ist. Der geringste Anlass könnte das Pulverfass hochgehen lassen.«
    Cooper dachte an seine beiden Begegnungen mit dem Farmer. »Er ist nicht gerade eine Frohnatur. Aber da oben ist das Leben auch sicher kein Zuckerschlecken.«
    »Die Bergbauern sind ein stolzes Volk. Sie denken, sie kommen allein zurecht; sie reden sich ein, sie wären ihr eigener Herr, genau wie ihre Vorfahren. Für solche Männer ist es schwer, auch nur die kleinste Schwäche einzugestehen. Für jemanden wie Warren Leach wäre es das Ende der Welt, wenn er seine Farm verliert. Ich könnte mir vorstellen, dass er ausrastet.«
    »Ich verstehe.«
    »Wirklich? Da bin ich mir nicht so sicher.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich an deiner Stelle würde mich vor Warren Leach in Acht nehmen. Wer in einer ausweglosen Lage steckt, ist zu allem falig. Und anders als du, Ben, können manche Menschen dann eben nicht mehr unterscheiden, was recht und was unrecht ist.«

20
    Wenn Diane Fry aus Maggie Crews Wohnung ans Tageslicht trat, erschien ihr die Welt jedes Mal grell und unwirklich – als käme sie geradewegs aus der Matinee eines Horrorfilms. Eben waren noch Spukgestalten aus düsteren Winkeln urplötzlich vor die Kamera gesprungen und hatten Blut in alle Richtungen verspritzt, und mit einem Mal stand man an der Ampel vor dem Mutter-und-Kind-Laden, hatte die Sonne voll im Gesicht, und ein Eiswagen spielte »Greensleeves«.
    Heute sah Matlock wie eine missglückte Disney-World-Kulisse aus: Pappmachee-Türmchen auf der einen und Gullivers Kingdom, der Freizeitpark, auf der anderen Seite des Tals, durchflossen vom Derwent und eingenebelt von den alten Dampflokomotiven am Bahnhof Matlock Bridge – und trotzdem stimmte das Bild hinten und vorne nicht. Hier gab es weder Micky Maus noch Pluto, nur endlose Autoschlangen rund um den Hauptplatz, der weder mit Springbrunnen noch mit Straßenrestaurants aufwarten konnte. Und dabei war jetzt eine der ruhigsten Zeiten des Jahres. Im Sommer herrschte hier heilloses Chaos. Wo wollten die vielen Menschen bloß alle hin? Was suchten sie? Oder wovor flohen sie?
    Fry war es immer noch ein Rätsel, was 25 Millionen Menschen im Jahr zum Besuch des Peak District bewegte. Hier gab es weder Einkaufszentren noch große

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