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Die schwarze Kathedrale

Die schwarze Kathedrale

Titel: Die schwarze Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Palliser
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fürchtete ich, daß es deutlich zu erkennen war, in was für einem aufgewühlten Gemütszustand ich mich befand. Er schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und entschuldigte sich, daß er so lange ausgeblieben war.
    »Ist etwas passiert, Robert?« fragte seine Frau.
    Er machte es sich vor dem Feuer bequem, bevor er begann: »Es gibt sowohl eine sehr ernste als auch eine sehr gute Nachricht. Die ernste ist, daß der Dekan mir gerade mitgeteilt hat, daß der unglückliche Perkins heute abend tot in seiner Zelle aufgefunden wurde.«
    Seine Frau stöhnte auf und bedeckte das Gesicht mit den Händen.
    Dr. Locard schilderte uns, wie der junge Mann es fertiggebracht hatte, sich in seiner Zelle aufzuhängen, was mir die nötige Zeit gab, mich wieder zu fassen. Dr. Locard betonte, daß nicht der geringste Zweifel bestand, daß es sich um einen Selbstmord handelte.
    »Wie konnte die Polizei nur so nachlässig sein?« rief ich aus.
    »Ich glaube, er hinterläßt eine Frau und Kinder. Wie viele Kinder muß seine arme Witwe nun alleine großziehen?« fragte Mrs. Locard.
    »Die Behörden haben diesen ganzen Fall mit einem geradezu sträflichen Mangel an Sorgfalt behandelt«, stimmte Dr. Locard mir zu.
    »Ich glaube, er hatte vier Kinder«, beantwortete ich Mrs. Locards Frage.
    »Man muß eine Sammlung für sie organisieren«, sagte sie.
    »Ja, das ist ganz gewiß nötig.« Ich wandte mich wieder an ihren Mann. »Dann werden wir die Wahrheit also niemals erfahren.« Ich war erleichtert, daß mir nun einige schwierige Konsequenzen erspart bleiben würden, obgleich ich starke Schuldgefühle dabei hatte. Doch dann fiel mir ein, daß ich dem armen Perkins nun doch nicht geschadet hatte, indem ich dem Dekan den Beweis für Sheldricks Vergehen und Slatterys und Ficklings Erpressung zugespielt hatte.
    »Es wird keine Gerichtsverhandlung mehr geben«, stimmte Dr. Locard mir zu und sah mich bedeutungsvoll an. »Obwohl Perkins’ Schuld damit bewiesen ist, denn ein Unschuldiger begeht keinen Selbstmord. Ich hoffe aber, daß die Wahrheit über die Vernichtung des Testaments trotz seines Todes noch ans Licht kommen wird.«
    »Ich wüßte nicht, wie.«
    »Alles hängt von Ihnen ab, Dr. Courtine. Jetzt mehr denn je. Die Leute, die hinter diesem Mord stecken, dürfen nicht ungestraft davonkommen, nur weil Perkins nicht Manns genug war, die Konsequenzen seiner Tat zu tragen. Wenn Sie eine eidesstattliche Erklärung in dem Sinne abgeben, wie wir es vorhin besprochen haben, könnte der Gerechtigkeit immer noch Genüge getan werden.«
    Ich gab keine Antwort, und er fuhr fort. »Um Fickling brauchen Sie sich keine Sorgen mehr zu machen, wenn es das ist, was Ihnen Schwierigkeiten macht. Denn meine zweite Neuigkeit ist, daß er und Slattery entlassen sind.«
    »Ficklings Entlassung überrascht mich nicht im geringsten. Aber was Slattery angeht, bin ich neugierig. Geht man davon aus, daß er bei den letzten Ereignissen eine Rolle gespielt hat?«
    Dr. Locard sah mich scharf an. »Welche Rolle sollte er denn gespielt haben?«
    »Ich bin mir nicht sicher, aber es würde mich wundern, wenn er seine Finger nicht mit im Spiel gehabt hätte.«
    Als er sah, daß ich nicht die Absicht hatte, mehr zu sagen, fuhr er fort: »Ganz im Vertrauen gesagt, Dr. Courtine, ihre Entlassung hat nicht direkt etwas mit dem Mord zu tun, sondern eher damit, daß einer der Domherren dem Dekan heute abend mitgeteilt hat, daß er aus gesundheitlichen Gründen im nächsten Monat von seinem Posten zurücktreten wird.«
    Seine Frau sah auf. »Kanzler Sheldrick?«
    Dr. Locard zuckte zusammen. »Ich bin sicher, daß ich mich auf Ihre Diskretion verlassen kann«, sagte er zu mir.
    Seine Frau bekam einen roten Kopf. »Heute abend ist etwas geschehen, das dem Dekan die Möglichkeit gibt, einer schwierigen Situation ein Ende zu setzen, ohne daß sich daraus unerfreuliche Konsequenzen ergäben.«
    »Ich werde Sie nicht drängen, mehr zu erzählen«, versicherte ich ihm mit heimlicher Freude an seiner Überraschung wegen meiner mangelnden Neugier. Ich fragte mich, ob er soviel über diese Sache wissen konnte wie ich. Hatte er auch nur die geringste Ahnung von der Rolle, die ich bei der Zerstörung der Macht gespielt hatte, die Fickling und Slattery über Sheldrick und damit über den Rest der Gemeinschaft um die Kathedrale ausgeübt hatten?
    »Thorrold hat einen Entwurf von dem niedergeschrieben, was Sie in Ihrer eidesstattlichen Erklärung angeben müßten.« Dr. Locard griff in seine

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