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Die schwarze Kathedrale

Die schwarze Kathedrale

Titel: Die schwarze Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Palliser
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sprach. Und so hatte sie das Gefühl, daß ihr wahres Wesen mit ihm verbunden war und nur ein falsches mit Ihnen.«
    Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich verstand, was sie meinte.
    Sie bemerkte meine Verwirrung und fragte: »Darf ich Sie fragen, ob sie in jener Nacht, als sie Ihnen ihr Geständnis machte, um eine Trennung bat?«
    »Nein. Sie sagte, sie wisse, daß das, was sie getan habe, nicht recht sei. Sie hatte die Beziehung mit ihrem Liebhaber bereits abgebrochen. Sie wollte, daß wir Mann und Frau bleiben sollten. Sie wollte, daß alles wieder so werden sollte wie früher.«
    »Und das haben Sie abgelehnt?«
    »Ich habe es weder abgelehnt, noch wirklich zugestimmt. Ich war unfähig, ihr eine Antwort zu geben. Ich wußte, daß trotz allem, was sie gesagt hatte, in Zukunft alles ganz anders sein würde. Ich würde ihr nie wieder vertrauen können. Sie war nicht das unschuldige, arglose Mädchen, das ich geheiratet hatte. Wenn sie mir einen solchen Schmerz zufügen konnte, konnte sie mich nicht lieben. Und was noch schlimmer war, ich bezweifelte, daß sie mich je wirklich geliebt hatte. Ich fragte mich, ob sie nur vorgegeben habe, etwas für mich zu empfinden. Hatte sie mich immer langweilig und unattraktiv gefunden? Die Situation zwischen uns blieb so, und als wir nach den Ferien nach Cambridge zurückkehrten, sprachen wir kaum noch miteinander. Ihr Liebhaber schickte ihr täglich Botschaften, sogar mehrmals am Tag. Er bedrängte sie, mit ihm ins Ausland zu gehen. Es war Mitte August.«
    Ich hörte auf zu reden, aber Mrs. Locard fragte freundlich: »Und dann?«
    »Nichts. Meine Gefühle waren in Aufruhr, aber ich konnte ihr nichts davon verständlich machen. Ich zuckte zurück, wenn sie versuchte, mich zu berühren. Wir irrten im Haus herum wie zwei Gespenster. Nach zehn Tagen ging sie zu ihrem Liebhaber. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört oder gesehen. Die Leute lasse ich in dem Glauben, ich sei Witwer. Es ist nicht wirklich eine Lüge, denn für mich ist sie tot, aber sie ist am Leben und immer noch meine Frau. Sie leben in Florenz – angeblich jedenfalls.«
    »Und Sie sind immer noch nicht geschieden?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wir ließen eine private Trennung durch unsere Rechtsanwälte arrangieren. Sie hat wieder volle Verfügungsgewalt über ihr Vermögen. Davon wollte ich nichts haben. Ihr Liebhaber ist nun in der Lage, so zu leben, wie er es immer wollte.«
    »Hat sie Sie nicht um eine Scheidung gebeten, um heiraten zu können?«
    »Ja, aber das habe ich abgelehnt, weil ich nicht bereit bin, eine Beziehung zu legitimieren, die auf Betrug gegründet ist.«
    Bei den letzten Worten zitterte mir die Stimme. Wie schwülstig dieser Satz, den ich mir so oft vorgesagt hatte, auf einmal klang, als ich ihn tatsächlich aussprach!
    »Ich sehe, wie schmerzhaft das alles noch immer für Sie ist. Ich hätte Sie nicht danach fragen sollen.«
    »Nein, nein, ganz im Gegenteil. Es war eine Erleichterung für mich, endlich einmal mit jemandem darüber zu reden. Gewöhnlich bin ich nicht so. Alles, was in den letzten Tagen hier passiert ist … Und dann noch etwas, das ich nicht gewußt hatte.« Ich wandte mich von ihr ab und fuhr fort: »Sie haben eine Tochter. Das habe ich gerade erst erfahren; es hat alle Erinnerungen wieder wach gerufen. Sie ist jetzt fünfzehn Jahre alt. Sie ist das Kind, das wir hätten haben sollen. Ich hatte keine Ahnung, daß dieses Mädchen existiert. Fickling hat es mir gesagt, um mir weh zu tun.« Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, da war mir auch schon klar, daß ich ihr damit auch mitgeteilt hatte, daß es Fickling gewesen war, der damals den Vermittler gespielt hatte. Aber ich nahm an, daß sie das sowieso bereits erraten hatte.
    »Es ist sehr verständlich, daß Sie das aus der Fassung gebracht hat. Der arme Mr. Fickling hat viele Gründe, unglücklich zu sein und andere ebenso unglücklich zu machen. Aber Sie sind doch bestimmt nicht der Meinung, daß die beiden das Kind nur bekommen haben, um Ihnen Schmerz zuzufügen?«
    »Aber nein! So von mir eingenommen bin ich nun auch wieder nicht.«
    Sie zögerte. »Vielleicht wird es Ihnen leichter, wenn ich etwas sage, das auf den ersten Blick grausam klingt. Soll ich?«
    »Ja bitte, tun Sie es.«
    »Wenn jemand uns verletzt hat, indem er uns zurückgewiesen hat, glauben wir immer, er hätte das getan, um uns weh zu tun und würde das auch weiter tun. Und das ist schmerzhaft. Aber wir finden den Gedanken an die Bösartigkeit

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