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Die schwarze Kathedrale

Die schwarze Kathedrale

Titel: Die schwarze Kathedrale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Palliser
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Burgoyne gestanden, daß er den Jungen, Gambrills Neffen, getötet hatte? War Burgoyne sich darüber im klaren gewesen, daß der andere ihn umbringen würde? Und wenn er es gewußt hatte, war er dann froh darüber gewesen, weil es ihm den Selbstmord ersparen würde?
    Wie dem auch sei – Gambrill hatte ihn gewürgt. Und dann hatte er den scheinbar leblosen Körper hinuntergelassen, mit der Tretradwinde hinuntergelassen.
    Ich stieg die Wendeltreppe hinunter, verschloß die Tür hinter mir und ging zur Burgoyne-Gedenktafel hinüber. Nachdem er den reglosen Körper hinuntergeschafft hatte, zog Gambrill dem Domherren aus irgendeinem Grund sein Gewand aus. Dann legte er den verhaßten Feind in die Vertiefung hoch oben in der Wand, die für die Marmorplatte bereits vorbereitet worden war.
    Um die riesige Reliefplatte an ihren Platz zu befördern, hatte er weder die Hilfe übernatürlicher Kräfte noch die von Thomas Limbrick benötigt. Er hatte einfach den Flaschenzug zusammen mit der Tretradwinde benutzt, die den größten Teil des Gewichts trug. Er mußte die Turmtreppe ein Dutzend mal hinauf- und hinuntergelaufen sein, mußte jedesmal den Schwenkarm der Winde ein Stück weit verschoben und mit Sperrklinken und Haken befestigt haben, damit er seine Stellung nicht veränderte, während er hinuntereilte, auf das Gerüst kletterte und die große Platte an ihren Platz manövrierte. Dazu mußte er mindestens zwei Stunden gebraucht haben. Dann versiegelte er die Platte mit Zement.
    Aber warum hatte er dann Burgoynes Gewänder angezogen und den Schlüssel an sich genommen, den dieser sich von Claggett geliehen hatte und ihm später hätte wiederbringen sollen? Hätte wiederbringen sollen! Plötzlich wußte ich den Grund: Der alte Küster lag im Sterben, und der Schlüssel war Burgoyne von seinem Hausmädchen gegeben worden, »das zu schüchtern war, einem Herrn ins Gesicht zu sehen«. Gambrill hatte sich also die Kleider des Domherrn angezogen, weil er die Absicht gehabt hatte, als Burgoyne verkleidet den Schlüssel zurückzubringen. Das hatte Fickling durchschaut, lange bevor ich es begriffen hatte. Wenn angenommen wurde, daß Burgoyne den Schlüssel in den frühen Morgenstunden zurückgebracht hatte, bevor er verschwand, und Gambrill etwas später noch von einem Zeugen gesehen wurde, dann hatte er ein unanfechtbares Alibi. Ich verstand plötzlich genau, wie der mörderische Plan hätte ablaufen sollen. Wie hätte auch ausgerechnet ich es nicht verstehen sollen?
    Genial! Und dann sollte er einen törichten Fehler gemacht und das Gerüst selbst über sich zum Einsturz gebracht haben?
    Das erschien mir unwahrscheinlich. Was das Gerüst zum Einsturz gebracht hatte, war folgendes: Der Flaschenzug hatte bleierne Gegengewichte für die Marmorplatte, und in dem Moment, als Burgoyne die Marmorplatte in die Wand eingelassen hatte, hätte er diese Gewichte mit Hilfe der Sperrklinke des Flaschenzugs auf den Boden herunterlassen müssen. Dadurch, daß er das verabsäumt hatte, wurde das Seil so stark gespannt, daß es schließlich riß. Das volle Gewicht der Bleigewichte wirkte somit auf den Flaschenzug ein, so daß die ganze Konstruktion im Augenblick seines Triumphs auf ihn herabstürzte.
    »Im Augenblick seines Triumphes«! Natürlich! »Dann wird der Schuldige in Stücke geschlagen und vor die Füße des Unschuldigen geworfen werden. Und im Augenblick des Triumphes werden sie von ihrer eigenen künstlichen Erfindung vernichtet werden.« Limbrick hatte leise die Kathedrale betreten und den Mann beobachtet, von dem er annahm, daß er seinen Vater ermordet hatte. Er hatte sich sein ganzes Leben lang nach Rache gesehnt, und jetzt sah er seine Chance gekommen. Das Durchtrennen des Seiles würde Gambrill töten, genauso wie es Robert Limbrick getötet hatte. Der Ausdruck »künstliche Erfindung« bezog sich auf alle drei Deutungsmöglichkeiten des Satzes: Gambrill war intellektuell durch seine eigene Lüge vernichtet, in seinen eigenen Intrigen gefangen und physisch von seiner eigenen Maschine zerschmettert worden.
    Ich faßte noch einen weiteren Entschluß: Ich würde versuchen, den Lehrstuhl zu bekommen, ganz egal, ob Scuttard sich ebenfalls darum bewarb oder nicht, und auch ohne Rücksicht darauf, ob ihm die Veröffentlichung des Manuskripts anvertraut werden würde oder nicht. Ich wollte darum kämpfen, um zu demonstrieren, daß ich mich für einen würdigen Bewerber hielt, und um mir selbst zu beweisen, daß ich mich vor einem

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