Die Schwarze Katze Von La Guadana: Horror-Roman ; ["Ein Meisterwerk Des Poetischen Horrors"]
Brombeerbusch«, sagte sie, »von draußen, von den Felsen.«
Und dann wandte sich Clara, die schon vor langer Zeit die Unauffälligkeit selbst zu ihrem Wesenszug gemacht zu haben schien wie keine andere Frau auf Erden, an der Tür noch einmal um. »Maria hat auf Sie beide gewartet«, sagte sie.
Einen Augenblick lang sprach sie nicht weiter, als lausche sie einem weit entfernten Schritt. »Draußen bei den Blumen und Kräutern«, setzte sie dann hinzu.
Diese Information war kaum eine Überraschung, dachte Sarah, und doch war sie Clara dankbar. Sie setzte sich mit Bell an den Tisch und breitete die Serviette aus. Sarah hatte ein Gefühl, das sie beunruhigte: Nach all diesen Jahren kannte sie Clara immer noch nicht besonders gut. Sie war eine von jenen stillen Personen, die einen Raum beim Betreten wie beim Verlassen von Grund auf verändern.
Der Raum wurde kleiner, nur um ein geringes. Clara hatte ihn verlassen, und Maria trat mit einem breiten Lächeln ein wie jemand, der durch die Lüfte zu schweben versteht. In der Hand trug sie eine große weiße Rose, eine fleischige Blüte am Ende eines schwarzen Drahtes.
21
Speke stand über das Grab gebeugt.
Mach weiter, befahl er sich selbst.
Fang an zu graben.
Trotz der frühen Stunde war es schon sehr heiß. Die Luft war trocken und rein wie ein frisch bezogenes Bett, gleichermaßen steril wie neues Leben versprechend. Noch schreckte Speke zurück vor dem, was zu tun er sich vorgenommen hatte. Und doch, da gab es einen Zwang zur Entscheidung. Er hatte keine andere Wahl.
Der Spaten arbeitete wie von allein. Das stählerne Blatt stieß mit metallischem Ton auf den ersten Stein. Speke warf den Stein beiseite. Noch ein Spatenstich, ein lauter Ton, der ihn innehalten ließ. Sie werden mich hören, dachte er. Arbeite leise, oder ein jeder hier wird Bescheid wissen.
Er räumte zunächst die größeren Steine beiseite und dann den Kies. Er beförderte einen Erdklumpen nach dem anderen aus dem Bereich des eigenen Schattens hinaus. Staub erhob sich in die Luft und blieb hängen.
Ein Dutzend Stimmen schnatterten in Hamiltons Kopf, Warnungen, Zusicherungen. Die Erinnerungen an die gemeinsam mit Asquith verbrachten Zeiten waren glasklar, lebendig und um vieles realer als die Jahre danach.
Nacht für Nacht war Asquith kurz vor der Verzweiflung gewesen, er hatte sich die Haare gerauft und geschworen, er brauche unbedingt einen Drink. Und Speke hatte ihm dann immer ein paar Fingerbreit Southern Comfort eingeschenkt und ihn angefleht, sein Leben nicht einfach wegzuwerfen:
»Wir brauchen Menschen wie dich. Ist dir denn nicht bewußt, wie langweilig die meisten Menschen sind?«
»Ich langweile mich«, hatte Asquith dann gestöhnt. Oder:
»Das ist alles so stupide.« Oder: »Ich kann unmöglich weiter wach bleiben, um herauszufinden, wer ich eigentlich bin. Das wäre absolute und totale Zeitverschwendung.« Er hatte in dem lange eingeübten theatralischen Unterton eines Berufsschauspielers gesprochen, der aus seiner Melancholie oder seinem Lebensüberdruß eine Tragödie zu machen verstand.
»Du mußt an die Zukunft glauben«, hatte Speke dann erwidert. »Du mußt vor allem an dich selbst glauben.« Immer wieder hatte er derart triviale Ermutigungen ausgesprochen und auch daran geglaubt, an seine Jugend und seinen Enthusiasmus. Er hatte sich geehrt gefühlt, der Gefährte einer so großen Seele sein zu dürfen.
Einer vibrierenden Seele, aber gewiß keiner einfach strukturierten. Ein Ballett konnte Asquith zu Tränen rühren, und die eher unbeabsichtigte Unhöflichkeit eines Kellners konnte ihn eine ganze Woche lang vor Wut kochen lassen.
Asquith hatte eine ganz charakteristische Art des Zuhörens gehabt, die Augen geschlossen, den Kopf gegen die Wand gelehnt, während er heftig an seiner Zigarette sog. Und eine charakteristische Art, eine zweifelhafte Ansicht nur mit einem Blick zu beantworten. Gelegentlich hatte er für sie beide Kaffee gemacht oder Speke ein Bier eingeschenkt, und eine solche ›häusliche‹ Geste hatte Speke immer ganz eigenartig berührt.
Tu es nicht, sagte er sich selbst. Du weißt, was du finden wirst.
Ich muß Gewißheit haben. Ich muß absolut sicher sein können, was hier vorgeht. Weil ich nicht an Geister glaube. Ich glaube nicht, daß Asquiths Geist hier in den Wäldern umgeht.
Ich glaube, Asquith ist noch am Leben.
Ich weiß, daß er es ist. Alles, was ich tun muß, ist, weiter zu graben, und dann werde ich den Beweis haben.
Er wußte
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