Die Schwarze Keltin
Augen. Doch wann immer er zur Ehrentafel aufschaute, blieb sein Blick an Bledri ap Rhys hängen, und zweimal mindestens sah Cadfael sie einen kurzen und blitzenden Blick wechseln, so wie Verbündete es wagen mochten, um größte Bedeutung zu signalisieren, wo es unmöglich war, offen zu reden.
Den beiden wird es schon gelingen, insgeheim die Köpfe zusammenzustecken, bevor der Abend zu Ende ist, dachte Cadfael. Und zu welchem Zweck? Bledri ist es nicht, der da so leidenschaftlich bemüht ist, sich zu treffen, obgleich ihm das freisteht und er im Verdacht steht, eine geheime Botschaft übermitteln zu wollen. Nein, es ist Gwion, der wünscht, fordert und darauf vertraut, Bledris Ohr zu erreichen. Gwion verfolgt einen weitreichenden und dringenden Plan und hat einen Verbündeten nötig, um ihn auszuführen. Gwion, der sein Wort gegeben hat, Owains leichter Haft nicht zu entfliehen. Was Bledri ap Rhys nicht getan hat.
Zwar hatte Cuhelyn sich dafür verbürgt, daß Gwion anständig war, und zugesagt, Bledri ständig zu überwachen. Doch Cadfael kam es so vor, daß der Hof des Fürsten groß und unübersichtlich genug war, um diese Überwachung schwierig zu machen, sollten die beiden es darauf anlegen, ihr zu entgehen.
Die Fürstin hatte sich mit den Kindern zurückgezogen und nicht am Essen teilgenommen, und der Fürst zog sich ebenfalls früh in die eigenen Räume zurück, war er doch tagelang von seiner Familie getrennt gewesen. Seinen meistgeliebten Sohn nahm er mit sich und überließ Hywel an der Tafel den Vorsitz, bis es seinen Gästen beliebte zu gehen. Jedesmal, wenn ein Mann seinen Platz verließ und hinaus in die frische Luft des späten Abends ging, gab es beträchtliche Bewegung im Saal, und wer wollte, im Lärm vieler Gespräche und der Musik der Harfenspieler, einen jungen Mann unter so vielen ständig im Auge behalten, im Qualm der Fackeln und in den obskuren schattigen Ecken? Cadfael bemerkte, wie Gwion sich von den anderen jungen Männern des Hofstaats absetzte, doch Bledri ap Rhys saß auf seinem bescheidenen Platz am Fuß der Ehrentafel und genoß heiter seinen Met – allerdings in Maßen, wie Cadfael auffiel – und beobachtete dabei alles ganz genau, was um ihn vorging. Er schien auf zurück haltende Weise beeindruckt zu sein von der Stärke und strikten Ordnung des fürstlichen Hofstaats und der Anzahl, der Disziplin und dem Selbstvertrauen der jungen Leibwächter.
»Ich glaube«, sagte Bruder Mark leise Cadfael ins Ohr, »wenn wir jetzt gehen, haben wir die Kapelle für uns.«
Es war gegen die Stunde des Nachtgebets. Bruder Mark würde keine Ruhe geben, wenn er sein Amt vernachlässigte.
Cadfael erhob sich und ging ihm nach, durch das Tor des großen Saales in die Kühle und Frische der Nacht und über den Innenhof zu der Holzkirche an der Außenmauer. Es war noch nicht vollkommen dunkel oder besonders spät, im Saal würden sich die entschlosseneren Trinker noch nicht losreißen wollen, aber in den verschatteten Durchgängen zwischen den Gebäuden des Hofs waren die, die hier arbeiteten, ohne Hast und still unterwegs und gingen ihren gewohnten Aufgaben in der lässigen Ruhe am Ende eines langen und befriedigenden Tags nach.
Sie waren noch einige Schritte von der Tür zur Kapelle entfernt, als ein Mann herauskam und an der Reihe von Unterkünften, die die Mauer des Burghofs säumten, entlangging, um in einem der engen Durchgänge hinter dem großen Saal zu verschwinden. Er kam nicht sehr nahe an ihnen vorbei, und er mochte irgendeiner der größeren und älteren Gefolgsmänner von Owains Hof gewesen sein. Der Mann war nicht in Eile, geruhsam und einigermaßen müde war er unterwegs zu seinem Nachtlager. Cadfael hatte sich aber in Gedanken so ausdauernd mit Bledri ap Rhys beschäftigt, daß er sich, sogar in der zunehmenden Dunkelheit, der Identität des Mannes so gut wie sicher war.
Cadfael war sich vollkommen sicher, als er mit Mark die Kapelle betrat, die von dem rosigen Licht der ewigen Lampe auf dem Altar schwach erleuchtet war. Er nahm schattenhaft den Umriß eines Mannes wahr, der am Rande des kleinen Lichtflecks kniete. Der Mann hatte Cadfael und Mark nicht sofort bemerkt, jedenfalls schien es so, obwohl sie sich beim Hereinkommen nicht bemüht hatten, jeden Laut zu unterdrücken; und als sie innehielten und regungslos zurückblieben, um seine Gebete nicht zu unterbrechen, gab er kein Zeichen, sondern kniete weiter, in sich gekehrt, sein Gesicht im Schatten. Schließlich rührte er
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