Die Schwarze Keltin
und wir alle sind Gäste in seinem Haus, nicht zuletzt auch Bledri, und hier handelt es sich um Mord. Gwion, nimm die Fackel und geh voraus, ich mache die Tür zu.«
Gwion folgte Cadfael widerspruchslos, obwohl Cadfaels Stimme über ihn keine Autorität außer der besaß, die er ihr aus eigenem freien Willen zugestand. Er stolperte auf der Schwelle, schließlich trug er ja die Fackel. Mark faßte ihn beim Arm, bis er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte und ließ ihn höflich wieder los, als sein Schritt sicher war. Gwion sagte kein Wort und machte keine Geste des Dankes, die Mark auch nicht brauchte. Er ging wie ein Herold voraus, die Fackel in der Hand, geradewegs zu den Stufen in den großen Saal und leuchtete ihnen hinein.
»Mein Lord, wir haben uns alle geirrt«, sagte Cadfael, »als wir angenommen haben, Bledri ap Rhys sei vor Eurer Gastfreundschaft geflohen. Er ist nicht weit gekommen und hat für seine Reise auch kein Pferd gebraucht, obgleich es die längste ist, auf die ein Mann sich begeben kann. Erliegt tot in der Unterkunft, wo Euer Verwalter ihn untergebracht hat. Nach allem, was wir dort gesehen haben, hat er nie vorgehabt zu fliehen. Ich will nicht sagen, daß er geschlafen hat. Doch er hat bestimmt in seinem Bett gelegen und bestimmt das Gewand über seine Blöße gezogen, um dem entgegenzutreten, der gekommen war, ihn in seiner Ruhe zu stören, wer immer es gewesen sein mag. Die beiden Männer hier haben gesehen, was ich gesehen habe und werden es bestätigen.«
»So war es«, sagte Bruder Mark.
»So war es«, sagte Gwion.
Owain hatte sich in seinem spärlich möblierten Quartier mit seinen Hauptleuten beraten. Um den Tisch, an dem sie saßen, blieb es lange still, und jeder schien darauf zu warten, daß erst der Fürst sich rührte. Hywel, an der Seite seines Vaters, war im Begriff gewesen, Owain einen Bogen Pergament vorzulegen und hatte innegehalten, den Bo gen halb entrollt in den Händen, um Cadfael gespannt, mit großen Augen ins Gesicht zu sehen.
Als wolle er die plötzliche Nachricht erst verdauen, stellte Owain keine Fragen, sondern sagte nur nachdenklich: »Tot. Na schön!« Und einen Augenblick später: »Und wie ist dieser Mann gestorben?«
»Durch einen Dolchstoß ins Herz«, sagte Cadfael mit Bestimmtheit.
»Von vorn? Von Angesicht zu Angesicht?«
»Wir haben ihn liegen lassen, wie wir ihn gefunden haben, mein Lord. Euer Leibarzt kann ihn so in Augenschein nehmen«, sagte Cadfael. »Ich nehme an, daß ihn ein starker Schlag getroffen und gegen die Wand geworfen hat, so daß er davon ohnmächtig wurde. Mit Sicherheit hat, wer immer ihn niedergeschlagen hat, ihm gegenübergestanden. Das war eine Konfrontation, kein Angriff von hinten. Zuerst ohne Waffe.
Jemand hat mit der Faust nach ihm geschlagen, in heller Wut.
Doch als er dann dalag, ist er erstochen worden. Sein Blut ist herabgelaufen und hat sich in den Falten seines Mantels unter seiner linken Seite gesammelt. Es hat keine Bewegung gegeben. Er ist nicht bei Bewußtsein gewesen, als jemand ihn getroffen und erstochen hat!«
»Derselbe jemand?« fragte Owain.
»Wer kann das sagen? Möglich ist es. Sicher ist es nicht.
Aber ich bezweifle, daß er länger als einen Augenblick so hilflos dagelegen hätte.«
Owain spreizte die Hände vor sich auf dem Tisch und schob die dort verstreuten Pergamentrollen zur Seite. »Ihr sagt, daß Bledri ap Rhys ermordet worden ist. Unter meinem Dach. In meiner Obhut, wie immer er auch in meine Obhut gelangt sein mag, Freund oder Feind, er war ein Gast in meinem Haus. Das werde ich nicht hinnehmen.« Er sah an Cadfael vorbei in Gwions düstere Miene. »Du brauchst nicht zu befürchten, daß ich das Leben meines ehrlichen Feindes weniger schätze als das von irgendeinem meiner eigenen Männer«, versicherte er ihm großmütig.
»Mein Lord«, sagte Gwion sehr leise, »daran habe ich nie gezweifelt.«
»Wenn ich mich auch jetzt um andere Dinge kümmern muß«, sagte Owain, »soll ihm doch Gerechtigkeit widerfahren, wenn ich es nur irgendwie bewerkstelligen kann. Wer hat den Mann zuletzt lebendig gesehen?«
»Ich habe ihn aus der Kapelle kommen sehen, als es schon spät war«, sagte Cadfael. »Er ist zu seiner Unterkunft gegangen. Bruder Mark auch, denn er ist bei mir gewesen.
Weiter kann ich nichts sagen.«
»Um diese Zeit«, sagte Gwion, vor Anspannung ein wenig heiser, »bin ich in der Kapelle gewesen. Ich habe mit ihm gesprochen. Ich bin froh gewesen, ein Gesicht zu sehen, das ich
Weitere Kostenlose Bücher
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Online Lesen
von
Mike Krzywik-Groß
,
Torsten Exter
,
Stefan Holzhauer
,
Henning Mützlitz
,
Christian Lange
,
Stefan Schweikert
,
Judith C. Vogt
,
André Wiesler
,
Ann-Kathrin Karschnick
,
Eevie Demirtel
,
Marcus Rauchfuß
,
Christian Vogt