Die Schwarze Keltin
daß Cadwaladr ein ansehnliches Äußeres besaß, doch er hegte Zweifel daran, ob dieser gutaussehende Mann auch über einen entsprechenden Verstand verfügte.
Dieser Mann war nicht so groß wie sein Bruder, doch groß genug, um eine muskulöse, kraftvolle Figur zu machen. Er bewegte sich mit Schwung und einer wunderschönen Leichtigkeit neben dem stämmigen und muskelbepackten Wikinger. Er besaß einen dunkleren Teint als Owain und trug auf seinem wohlgeformten Kopf dichtes, starkes, rotlockiges Haar. Seine Brauen stießen fast zusammen und waren von dunklerer Farbe als sein Haar. Seine Augen blickten dunkel und hochmütig. Er war glatt rasiert, hatte bei seinem Aufenthalt in Dublin aber in Kleidung und Schmuck einiges von der Art seiner Gastgeber angenommen, so daß er nicht gleich als der walisische Adlige zu erkennen war, der diese ganze Flotte zum Schaden seiner Heimat übers Meer geführt hatte. Er hatte den Ruf, voreilig und auch grob zu sein und sich gegen seine Feinde unversöhnlich zu verhalten, mit seinen Freunden dagegen ausgelassen und großzügig umzugehen. Sein Gesicht gab alles zu erkennen, was über ihn gesagt wurde. Es war auch nicht schwer, sich vorzustellen, daß Owain seinen schwierigen Bruder immer noch liebte, obwohl der sich soviel hatte zuschulden kommen lassen und wiederholte Versöhnungsversuche enttäuscht hatte.
»Ein Bild von einem Mann«, sagte Cadfael, der diesen gefährlichen Mann vorsichtig betrachtete.
»Wenn er sich nur auch so bildschön benehmen würde«, antwortete Heledd.
Die beiden Anführer hatten sich in Richtung Osten ans Meer zurückgezogen, und ihre Unterführer standen dort im Kreis um sie herum. Cadfael seinerseits machte kehrt und ging nach Süden, um sich einen Überblick über das Umland und den Weg zu verschaffen, den Owain nehmen mußte, wenn er die Eindringlinge am Strand einschließen wollte. Heledd kam ihm nach, aber nicht, wie er wohl wußte, weil sie etwa Trost oder auch nur Gesellschaft gesucht hätte, sondern weil sie die Umstände ihrer Gefangenschaft ebenso neugierig machten wie ihn und weil sie glaubte, gemeinsam würden sie diesen Umständen eher auf den Grund kommen als allein.
»Wie ist es Euch ergangen?« Cadfael sah sie forschend an, als sie neben ihm ging, und sah den beherrschten Ausdruck der Entschlossenheit auf ihrem Gesicht. »Seid Ihr ordentlich behandelt worden, wo es hier doch keine anderen Frauen gibt?«
Sie verzog nachsichtig den Mund und lächelte. »Ich brauche keine andere Frau. Ich kann mich ganz gut wehren, wenn es drauf ankommt. Bisher hat es dafür keinen Anlaß gegeben. Ich habe ein Zelt, in dem ich Zuflucht finde. Der Junge bringt mir das Essen. Wenn ich sonst etwas brauche, lassen sie mich herumlaufen und es mir selber holen. Sie schicken mich nur zurück, wenn ich zu nahe an das Ostufer gehe. Ich habe es versucht. Ich glaube, die wissen, daß ich schwimmen kann.«
»Ihr habt keinen Versuch gemacht, als wir nicht mehr als ein paar hundert Schritte vom Ufer entfernt gewesen sind«, sagte Cadfael, ohne sich damit für oder gegen ihr Verhalten auszusprechen.
»Nein«, stimmte sie ihm zu, lächelte schmal und düster und sagte dazu kein Wort mehr.
»Selbst wenn wir unsere Pferde stehlen könnten«, überlegte er nachdenklich, »kämen wir mit ihnen nicht aus dem bewachten Lager.«
»Meines lahmt außerdem«, stimmte sie wieder zu und lächelte verstohlen.
Er hatte bisher keine Gelegenheit gehabt, sie zu fragen, wie sie überhaupt zu dem Pferd gekommen war, wie sie den jungen Hengst aus dem fürstlichen Stall geführt hatte, als das Fest auf seinem Höhepunkt war, bevor noch ein Wort aus Bangor eingetroffen war, um Owain vor der Bedrohung aus Irland zu warnen. Er fragte sie jetzt. »Wie kam es eigentlich, daß Ihr Euch dieses Pferd verschafft habt, das Ihr jetzt sogar schon Eures nennt?«
»Ich habe es gefunden«, sagte Heledd einfach. »Gesattelt, gezäumt, im Wald angeleint, nicht weit von dem Torhaus. Ich hätte nie damit gerechnet und habe es für ein gutes Zeichen gehalten und bin dankbar gewesen, daß ich mich nicht zu Fuß auf den Weg durch die Nacht machen mußte. Aber ich hätte es getan. Ich habe gar nicht darüber nachgedacht, als ich hinausgegangen bin, um die Kanne aufzufüllen, doch draußen im Hof kam mir der Gedanke, wieso soll ich da wieder reingehen? In Llanelwy gab es nichts, das ich hätte behalten können, und in Bangor und Anglesey gibt es nichts, das ich haben will. Aber irgendwo auf der Welt muß es
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