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Die Schwarze Keltin

Die Schwarze Keltin

Titel: Die Schwarze Keltin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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würde ich mitfahren, sobald Otir ausläuft. An Land ist es mit der Zeit langweilig. Ich bin kein Bauer, der Jahr um Jahr auf seinem Hof hockt und zufrieden ist, die Feldfrüchte wachsen zu sehen.«
    Nein, das war er bestimmt nicht, und er hätte sich auch nie wie Cadfael für das Kloster und die Kutte entschieden, nachdem die Abenteuer der Jugend erst einmal hinter ihm lagen. Er war großartig gewachsen, seine Ausstrahlung hatte animalische Kraft, er war ein Mann für eine Frau und ein Vater für Söhne, der einmal neue Generationen von Abenteurern aufziehen würde, die so ruhelos sein würden wie das Meer selbst und bereit, sich in jedermanns Streit einzumischen, wenn sie so unter Einsatz des eigenen Lebens einen gerechten Lohn erkämpfen konnten.
    Mit einem Mal war er fort, mit einem Schlag auf Cadfaels Schulter zum Abschied, und lief in regelmäßigen Schritten das vorwärts schießende Boot entlang, um sich neben Heledd auf das Achterdeck zu schwingen. Im Licht der Dämmerung konnte Cadfael ausmachen, wie Heledd abschätzig den Mund verzog, kühl die Augenbrauen hochzog, den Rocksaum zur Seite nahm, um jede Berührung mit ihrem Feind zu vermeiden, und den Kopf abwendete, um dem Mann nicht noch durch einen Blick Anerkennung zu verschaffen.
    Turcaill lachte gar nicht unerfreut, setzte sich neben sie und nahm Brot aus einer Gürteltasche. Er teilte es in seinen großen, ebenmäßigen jungen Händen und bot ihr eine Hälfte an, und sie wehrte ab. Er war nicht beleidigt, lachte immer noch, nahm ihre Hand mit Gewalt, drückte ihr seine Gabe in die offene rechte Hand, nahm ihre linke Hand und drückte sie fest darauf.
    Sie konnte nichts dagegen tun und wollte ihre stumme Ablehnung nicht durch einen vergeblichen Kampf kompromittieren. Doch als er unvermutet auf stand und sie so sitzen ließ, ohne sich noch einmal nach ihr umzudrehen, und sie mit seiner Gabe tun konnte, was sie wollte, da warf sie das Brot weder in das dunkle Wasser des Meeres noch biß sie hinein, sondern sie blieb damit hocken, wie er sie verlassen hatte, hielt es zwischen den Händen und schickte seinem flachsblonden Schopf einen schmalen, berechnenden Blick hinterher, dessen Bedeutung Cadfael nicht aufging, den er aber zugleich ansprechend und beunruhigend fand.
    Bei Einbruch der Nacht, als sie lautlos und schnell über das Meer glitten und nur ein sachtes, phosphoreszierendes Leuchten die eintauchenden Ruder vergoldete, fuhren sie an den Küstenlichtern von Owains Carnarvon vorbei und erreichten eine weite Bucht, die von der See durch zwei Landzungen abgegrenzt wurde. Die Dünen waren dicht mit Gebüsch und sogar mit einzelnen Bäumen bewachsen. Den Strand entlang hoben sich schattenhaft die Umrisse von Schiffen ab, einige mit aufrechtem, andere mit gefälltem Mast, schmal und niedrig wie Turcaills kleines Mannschaftsboot. Wo die Wikinger am Strand ihre Posten aufgestellt hatten, brannten die Fackeln ruhig in der stillen Luft, und weiter oben in den Dünen waren die Feuer eines regelrechten Lagers auszumachen. Turcaills Ruderer lehnten sich zurück, um ein letztes Mal die Riemen durchzuziehen, und zogen dann die Ruder ins Schiff, während der Steuermann das Drachenboot mit gebremstem Schwung im Niedrigwasser vor dem Strand wendete. Die Wikinger sprangen über Bord, und während sie durch das flache Wasser wateten, achteten sie darauf, daß sie ihre Beute trocken ans feste Land trugen, wo ihre Kameraden sie in Empfang nahmen, die dort Wache gehalten hatten.
    Turvaill selbst brachte Heledd von Bord, und als er sie so einfach hochhob, leistete sie keinen Widerstand mehr, weil es in jedem Fall doch umsonst gewesen wäre und sie hauptsächlich damit beschäftigt war, bei dieser Sache einigermaßen ihre Würde zu wahren. Cadfael hatte keine andere Wahl als zu folgen, auch wenn zwei der Ruderer ihn nicht mit sich von Bord gezogen hätten und mit ihm, seine Schultern fest im Griff, an Land gewatet wären. Welche Gelegenheiten sich auch immer bieten mochten, in keinem Fall konnte er seiner Gefangenschaft entfliehen, bis er nicht Heledd mit sich führen konnte. Nachdenklich stapfte er die Dünen hinauf und in den bewachten Umkreis des Lagers und ging, wohin er geführt wurde, in dem sicheren Wissen, daß sich der Kreis der Wachen fest hinter ihm geschlossen hatte.

8. Kapitel
    Cadfael erwachte im perlgrauen Licht der allerersten Dämmerung, über sich den unermeßlich weiten freien Himmel, hoch oben noch gesprenkelt mit verblassenden Sternen, und sofort fiel

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