Die Schwarze Keltin
etwas für mich geben. Warum sollte ich nicht losgehen und es finden, wenn kein anderer es für mich holt? Und wie ich da so im Schatten an der Wand gestanden habe, haben mich die Wächter am Tor nicht beachtet, und ich bin hinter ihrem Rücken rausgeschlüpft.
Ich habe nichts gehabt, ich habe nichts genommen, ich wäre einfach so weggegangen und hätte mich nicht beklagt. Ich habe es mir so ausgesucht. Aber zwischen den Bäumen habe ich eben das Pferd gefunden, gesattelt und gezäumt und bereit für mich, ein Gottesgeschenk, das ich schlecht ablehnen konnte.
Wenn ich das Pferd jetzt aufgeben muß«, sagte sie sehr feierlich, »kann es sein, daß es mich dorthin gebracht hat, wo ich hingehöre.«
»Vielleicht ist dies ein Abschnitt Eurer Reise«, sagte Cadfael besorgt, »doch sicher nicht das Ende. Schließlich sind wir hier als Geiseln in einer sehr fragwürdigen Lage, und ich halte Euch für eine Frau, der ihre Freiheit sehr teuer ist. Wir müssen uns schließlich aus unserer Gefangenschaft befreien, oder wir müssen darauf warten, daß Owain es für uns tut.« Er drehte sich um, staunte über das, was sie ihm berichtet hatte, und dachte an das, was sich in Aber ereignet hatte. »Da stand also dieses Pferd, zum Reiten vorbereitet und nahe der Burgmauer versteckt. Wenn der Himmel dieses Pferd auch für Euch bestimmt haben mag, hat es doch jemand gegeben, der ganz andere Pläne als Ihr hatte, als er das Pferd gesattelt und in den Wald hinausgeführt hat. Jetzt kommt es mir so vor, als ob Bledri ap Rhys tatsächlich vorgehabt haben könnte, zu Cadwaladr zu fliehen mit der Nachricht über Owains Anmarsch und Truppenstärke. Das Mittel zur Flucht stand vor dem Tor für ihn bereit. Und doch ist er nackt in seiner Bettkammer gefunden worden, überhaupt nicht zum Reiten vorbereitet. Ihr habt uns ein Rätsel aufgegeben. Ist er ins Bett gegangen, um zu warten, bis alle in der Burganlage schliefen? Wollte er zu einer bestimmten Stunde aufbrechen und ist vorher überrascht worden? Und wie hat er vorgehabt, die Burg zu verlassen, wenn jedes Tor bewacht wurde?«
Heledd schaute ihn über die Schulter an, eindringlich, mit zusammengekniffenen Augenbrauen. Sie hatte ihn nur zum Teil verstanden. Aber gescheit und aufgeweckt wie sie war, wollte sie es darauf ankommen lassen, den Rest, der ihr noch unklar war, zu erraten. »Wollt Ihr mir erzählen, Bledri ap Rhys ist tot?
Umgebracht, habt Ihr gesagt. In derselben Nacht? In der Nacht, in der ich weggeritten bin?«
»Das habt Ihr nicht gewußt? Das war, nachdem Ihr schon weg wart, genau wie die Nachricht aus Bangor. Seitdem hat es Euch keiner erzählt?«
»Ich habe gehört, daß die Wikinger kommen, das war ja am nächsten Morgen schon überall herum. Doch von einem Todesfall hat man mir nichts gesagt, kein Wort.«
Nein, das war ja auch keine Nachricht von entscheidender Bedeutung wie der Überfall aus Irland, das würde nicht von Dorf zu Dorf laufen und von Burg zu Burg, wie Owains Kuriere die Nachricht der Truppenaufstellung nach Carnarvon gebracht hatten. Heledd runzelte die Stirn, als sie so spät von diesem Todesfall erfuhr, der sie traurig machte, auch wenn sie den Mann nur kurz gekannt hatte. Auf seine Art war dieser Mann ihr dazu nützlich gewesen, ihren Vater zu ärgern, der ihre Zuneigung zurückgewiesen hatte.
»Das tut mir leid«, sagte sie. »Er ist voller Leben gewesen.
Was für eine Verschwendung! Meint Ihr, er ist umgebracht worden, um zu verhindern, daß er entkommt? Weil er einen Mann Verstärkung für Cadwaladr bedeutet und ihn noch dazu über Owains Plan benachrichtigt hätte, ihm zur Begrüßung kräftig einzuheizen? Wer könnte denn nur herausgefunden haben, daß Bledri so etwas vorhatte, und wer hat ihn auf so traurige Weise davon abgehalten?«
»Das kann keiner sagen, und ich werde mich auch nicht auf ein Rätselraten einlassen, wo es zwecklos ist. Doch früher oder später wird der Fürst den finden, der es getan hat. Auf seine Weise war der Mann sein Gast, und er wird seinen Tod nicht ungerächt lassen.«
»Da sagt Ihr schon den nächsten Tod voraus«, sagte Heledd bitter. »Was macht das wieder gut?«
Und darauf gab es keine Antwort, die nicht wieder neue Fragen nach den verborgenen Winkeln von Gut und Böse ausgelöst hätte. Sie gingen ungehindert zu einer Anhöhe vor der südlichen Befestigung des Lagers, obschon viele der dänischen Krieger, durch deren Reihen sie kamen, kurz und neugierig nach ihnen schauten. Sie hielten auf dem kleinen
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