Die Schwarze Keltin
Freibeutern eine Vereinbarung getroffen und jetzt bläst du sie in den Wind wie Distelwolle, und ich soll dich dafür auch noch loben? Wenn dein Wort und deine Treue so wenig wiegen, laß mich mein schwarzes Mißvergnügen als Gegengewicht in die Waage legen. Wenn es nur darum ginge«, sagte Owain in einem Ausbruch jäher Wut, »würde ich keinen Finger heben, um dich von deiner Narretei zu retten. Doch es kommt noch schlimmer.
Wer ist denn wohl in Gefahr? Hast du denn vergessen oder dich niemals dazu herabgelassen zu verstehen, daß deine Dänen zwei Männer im Habit der Benediktiner festhalten, einen davon als freiwillige Geisel für deine gute Gesinnung, die, wie jetzt alle sehen können, keinen Pfifferling wert ist und erst recht nicht die Freiheit und das Leben eines guten Mannes.
Außerdem haben sie auch noch eine junge Frau in ihrer Gewalt, die aus meiner Burg kommt, wo sie mir zur Obhut übergeben worden war, wenn sie auch selbst entschieden hatte, sich daraus zu entfernen und ganz allein ihren Weg zu gehen. Ich stehe für alle drei in der Verantwortung. Und alle drei hast du einem Schicksal überlassen, das dein Otir für seine Geiseln bestimmen mag, jetzt wo du ihn gereizt, betrogen und in Gefahr gebracht hast um den Preis deiner eigenen Ehre. Das ist es, was du angerichtet hast! Ich werde jetzt versuchen, meinen Teil beizutragen, um die Sache beizulegen, und du wirst mit den Verbündeten, die du betrogen und belogen hast, so gut verhandeln, wie du kannst.«
Ohne auch nur einen Augenblick auf Antwort zu warten, selbst für den Fall, daß es seinem Bruder nicht die Sprache verschlagen hätte, lief Owain zu einem seiner Männer in der Nähe und rief: »Schick aus und sattle mir mein Pferd! Sofort und mit Eile!«
Ein gewaltiger Ruck ging durch Cadwaladr, als er wieder zu sich kam. Er lief Owain nach, um ihn beim Arm zu fassen.
»Was hast du vor? Bist du verrückt? Jetzt gibt es keine Wahl mehr. Du steckst so tief drin wie ich. Du kannst mich doch nicht fallen lassen!«
Owain riß sich aus dem unwillkommenen Halt los und stieß seinen Bruder in kurzem, bitterem Abscheu auf Armeslänge von sich weg. »Laß mich los! Du kannst hierbleiben oder verschwinden, aber bleib mir aus den Augen, bis ich deinen Anblick und deine Berührung wieder ertragen kann. Du hast nicht für mich gesprochen. Wenn du die Angelegenheit so dargestellt hast, hast du gelogen. Falls dem jungen Diakon auch nur ein Haar gekrümmt worden ist, bist du mir dafür verantwortlich. Wenn die Frau eine Beleidigung oder Leid erfahren hat, zahlst du den Preis dafür. Geh, versteck dich, denke über deine eigene schlimme Lage nach, denn du bist kein Bruder und kein Verbündeter von mir; du mußt deine eigenen Narreteien zu ihrem verdienten Ende bringen.«
Es war nicht mehr als zwei Stunden nach Mittag, als ein weiterer einsamer Reiter vom Lager aus in den Dünen gesichtet wurde, der schnell und geradewegs auf die Palisade der Wikinger zukam. Ein Mann allein, der mit einem festen Vorhaben kam und keinen vorsichtigen Halt außer Reichweite der Waffen machte, sondern mit Schwung auf die Männer zuhielt, die hier Wache standen, seine Ankunft mit schmalen Blicken verfolgten und seine Haltung, seine Ausrüstung und seine Absichten abzuschätzen versuchten. Er trug kein Kettenhemd und keine sichtbaren Waffen.
»Der bedeutet keine Gefahr«, sagte Torsten. »So wie er aussieht, wird er uns sagen, was er will. Geh, sag Otir, es kommt noch ein Besucher.«
Es war Turcaill, der die Nachricht überbrachte und den Ankömmling beschrieb: »Ein Mann von Rang, seinem Pferd und dem Zaumzeug nach. Sein Haar ist heller als meins. Er könnte einer von uns sein. Groß genug dafür ist er. Ich schätze, er ist so groß wie ich, vielleicht größer. Er dürfte schon hier sein. Sollen wir ihn hereinführen?«
Otir dachte nicht mehr als einen Augenblick nach. »Ja, er soll herkommen. Wer so spornstreichs zu mir kommt, um von Mann zu Mann zu mir zu reden, ist es wert, angehört zu werden.«
Als Turcaill zu dem Wachposten zurückeilte, kam er rechtzeitig, um zu sehen, wie der unbewaffnete Reiter am Tor sein Pferd zügelte, abstieg und für sich selbst sprach. »Geh, sag Otir und seinen Hauptleuten, daß Owain ap Griffith ap Cynan, Fürst von Gwynedd, Einlaß erbittet, um mit ihnen zu sprechen.«
Nach der Herausforderung durch Cadwaladr hatte es in Otirs innerem Kreis von Anführern eine sehr ernste, sehr beherrschte und entschiedene Beratung gegeben. Dies waren keine
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