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Die schwarze Schatulle

Die schwarze Schatulle

Titel: Die schwarze Schatulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Batya Gur
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hatte, als ich klein war. »So rot wie Blut, so schwarz wie Ebenholz und so weiß wie Schnee.« Schwarz waren ihre Haare, weiß ihr Gesicht und rot ihre Lippen. Vielleicht nicht wie Blut, eher so wie Erdbeeren. Aber ich glaube, im Märchen hieß es »wie Blut«.
    »Ich habe eine Idee«, sagte Joli zögernd und wurde plötzlich rot. Ich folgte ihrem Blick zur anderen Seite des Flurs und sah, dass Nimrod auf uns zukam. »Wir reden nach der Schule weiter«, sagte sie plötzlich und ging zu ihm.

    Der Vormittag zog sich endlos lange hin. Auch in der zweiten großen Pause redeten wir nicht miteinander, weil ich meine Mathehausaufgaben machte. Dann ging ich noch schnell in die 8 b, um Ja’ir Malul nach seinem kleinen Bruder und meiner schwarzen Schatulle zu fragen. Er war nicht in der Klasse, und Timora Jeschi, die an der Tür lehnte, als wäre sie ein Model und hätte nicht Beine wie Stampfer, sagte, er sei heute überhaupt nicht in die Schule gekommen.
    »Hast du nicht gehört, was passiert ist?«, fragte sie. »Weißt du nicht, dass man ihn verdächtigt, vorgestern Nacht in der Schule eingebrochen zu haben? Und in den Kiosk von Esther? Weißt du auch nicht, dass man seine Eltern herbestellt hat und dass er zum Verhör gebracht wurde oder so? Wo lebst du eigentlich? Das ganze Theater war doch groß genug!«
    In der nächsten kleinen Pause blieb ich in der Klasse und schrieb fünf Zettel mit dem Text: »Wer eine schwarze Schatulle mit aufgemalten roten Blumen gefunden hat, in der Pastellfarben und Stifte sind, wird gebeten, sie bei Schabi Ben-Schoschan in der 8 c abzugeben.« Darunter schrieb ich noch: »Der ehrliche Finder wird auf seine Kosten kommen.« Als hätte ich eine Belohnung zu vergeben. Die Zettel hängte ich mit Uri zusammen auf. Wir brauchten noch nicht mal neue Reißzwecken, wir benutzten die alten. Mit dem Winkelmesser zogen wir sie unten aus dem schwarzen Brett. Einen Zettel hängten wir gleich dort auf, die andern neben die Türen verschiedener Klassenzimmer. Uri hörte nicht auf zu hüpfen, wie üblich. Wegen seiner ständigen Hüpferei verletzte ich mich mit einer Reißzwecke am Finger. Sie war nicht rostig, aber von meinem Finger tropfte Blut, genau wie von diesem Pfeil auf dem Zettel. »Vielleicht hörst du mal auf!«, schrie ich Uri an. Und plötzlich hörte er auf.
    Als wir am Flur der Mittelstufe vorbeigingen, glaubte ich, Streichholz Malul mit seinen Freunden zu sehen. Ich drehte mich noch einmal um, denn ich war mir schon nicht mehr sicher. Ich überlegte, ob ich zu den Sechsten gehen sollte, beschloss dann aber, geduldig abzuwarten, bis herauskam, was mit Ja’ir Malul war. Wenn er wirklich eingebrochen hatte, würde sich vielleicht auch herausstellen, dass er meine schwarze Schatulle geklaut hatte. Und wenn nicht, hatte er vielleicht mit seinem kleinen Bruder geredet und würde mir Bescheid sagen.
    »Sag mal, hast du was?«, fragte Uri. Er gab sich wirklich große Mühe, nicht zu hüpfen.
    »Was meinst du?«
    »Du bist so …« Uri schaute sich um, ob wir wirklich allein waren, dann sagte er: »Bist du sauer auf mich oder was?«
    »Nein, wieso denn?«, sagte ich, sah ihm aber an, dass er mir nicht glaubte. Er hüpfte zwar nicht, kaute aber heftig an den Fingernägeln und das war ein Zeichen, dass er unter Druck war. »Warum glaubst du, dass ich sauer auf dich bin?«, fragte ich.
    »Weil … na gut, ich weiß, dass du gereizt bist wegen deiner schwarzen Schatulle, aber …« Er senkte den Kopf. »Gestern habe ich auf dich gewartet, wir waren zum Training verabredet, aber du bist nicht gekommen und hast nichts gesagt.«
    Ich erinnerte mich noch nicht mal daran, dass wir verabredet gewesen waren. Ich war so gewohnt, dass Uri immer um mich herum ist und dass ich manchmal mit ihm trainiere, dass mir sogar das Wort »verabredet« seltsam vorkam. »Ich hab’s vergessen«, sagte ich. Und er machte eine Kopfbewegung, als wolle er sagen nicht wichtig. Mir wurde klar, dass er ernstlich gekränkt war, aber ich wusste nicht, was ich machen sollte.
    »Ich bin zu dir gegangen, aber du warst nicht daheim«, sagte Uri leise. Ich schaute ihn an und sah plötzlich, wie klein und dünn er war. Wir standen so nah beieinander, dass ich seine Sommersprossen auf der Nase sah. Ich spürte das Mitleid wie eine Welle in meinem Bauch aufsteigen, als würde mir gerade jetzt erst klar werden, wie sehr er unter seinem Kleinsein litt, wie gern er Basketball spielen würde und wie geduldig er darauf wartete, dass ich …

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