Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
»Es macht mir nichts aus, heute Morgen nicht auszureiten«, erklärte er in seinem besten, gelangweilten Höflingstonfall. »Wahrscheinlich reitest du mit viel mehr Begeisterung und bist deshalb ohnehin der geeignetere Begleiter.«
Philips Augen verengten sich zu Schlitzen, doch nichts in Daemons seidiger Stimme deutete darauf hin, dass seine Bemerkung doppeldeutig gemeint gewesen sein könnte.
Mit einem Lächeln auf den Lippen griff Daemon nach
einer weiteren Toastscheibe. »Du solltest die Lady nicht warten lassen, Prinz Alexander.«
An der Tür zögerte Philip. Daemon strich mit einer langsamen, beinahe sinnlichen Handbewegung Butter auf die Brotscheibe, wobei ihm klar war, dass Philip ihn beobachtete und sich zu seinem Unbehagen vorstellte, wie Daemon etwas anderes als Toast auf diese Weise bearbeitete. Nun, wenn Philip tatsächlich glaubte, dass jemand wie Leland einen Kriegerprinzen mit schwarzen Juwelen in echte Versuchung führen konnte, hatte der Narr es verdient, ein wenig zu leiden.
Sobald Philip verschwunden war, ging Daemon rasch auf sein Zimmer zurück und zog sich um. Wilhelmina hatte Unterricht bei Graff, die Köchin saß in der Küche bei einer Tasse Kaffee und ging langsam daran, die Speisenfolge für das Mittagessen zu planen, während die Dienstboten mit ihren diversen Arbeiten beschäftigt waren. Es blieb nur eine einzige Person übrig.
Daemon pfiff eine fröhliche Melodie, als er sich auf den Weg zu der privaten Gartennische machte, um einen angenehmen Vormittag mit seiner Lady zu verbringen.
Er war im Garten herumgeschlichen, im Haus, hatte die Stallungen durchsucht, einen Blick in der Bibliothek über die magische Kunst geworfen und stand schließlich frustriert und besorgt in dem Trakt, in dem die Kinder untergebracht waren. Sie war spurlos verschwunden. Sogar in ihrem Zimmer hatte er nachgesehen, nachdem er leise angeklopft hatte, falls sie sich zur Ruhe gelegt hatte oder allein sein wollte. Als eine Antwort ausgeblieben war, war er in das Zimmer geschlüpft, um sich rasch umzusehen.
Daemon nagte an seiner Unterlippe und lauschte, wie Graff Wilhelmina ausschalt. Er hatte sich gefragt, weshalb eine derart strenge und nicht sonderlich gebildete Frau eine junge Hexe aus einer mächtigen Familie in der Kunst unterwies, bis er erfahren hatte, dass Robert Benedict die Gouvernante
eingestellt hatte. Da Wilhelmina nicht direkt mit Leland und Alexandra verwandt war, hatte Roberts Wunsch schwerer gewogen als die Einwände der beiden Frauen. Wobei Daemon zugeben musste, dass Graff eine gute Wahl war, wenn man beabsichtigte, das Gefühl eines Mädchens dafür, was es war und welche Kräfte es besaß, derart zu ruinieren, dass es niemals wieder Freude an der magischen Kunst oder an sich selbst würde finden können. Ja, Graff war eine ausgezeichnete Wahl, wenn es darum ging, das Ego eines jungen Mädchens zu verletzen und die Kleine für andere Brutalitäten anfällig zu machen, sobald sie ein wenig älter war.
Als Daemon auf das Klassenzimmer zutrat, um herauszufinden, ob Jaenelle womöglich dort war, keifte Graff lautstark: »Du bist heute Morgen zu nichts nutze! Zu absolut gar nichts! Das nennst du Kunst? Los, geh schon. Der Unterricht ist vorbei. Geh und mach irgendetwas Nutzloses. Das kannst du ja bestens! Nun geh schon! «
Wilhelmina stürzte aus dem Zimmer und prallte mit ihm zusammen. Daemon hielt sie an den Schultern fest, wobei er die Beine in den Boden stemmte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Sie schenkte ihm ein zittriges Lächeln des Dankes.
»Du hast also frei«, meinte Daemon, der das Lächeln erwiderte. »Wo ist …«
»Oh, gut, dass du hier bist«, erklärte Wilhelmina mit lauter, herrischer Stimme. »Hilf mir, mein Duett einzuüben!« Sie wandte sich dem Musikzimmer zu.
»Sag mir erst, wo …«
Wilhelmina kam zurück und trat ihm mit dem Absatz auf die Zehen. Fest. Er ächzte, sagte jedoch nichts, da nun Graff in der Tür des Klassenzimmers stand und sie misstrauisch beobachtete.
Wilhelmina wich zur Seite. »Oh, entschuldige! Habe ich dir wehgetan?« Ohne auf eine Antwort zu warten, zog sie ihn in Richtung Musikzimmer. »Komm, ich möchte üben.«
Sobald sie das Musikzimmer erreicht hatten, trat sie auf das Klavier zu und suchte nach den Noten für das Duett, das sie gerade einstudierte. »Du kannst die Bassstimme spielen«, meinte sie und legte die Hände auf die Tasten.
Daemon humpelte zu dem Klavierhocker und ließ sich neben dem Mädchen nieder. »Miss
Weitere Kostenlose Bücher