Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
Feld zu überqueren und dem Hengst den Weg abzuschneiden, packte Andrew ihn am Arm.
»Sieh zu«, meinte der Junge.
Daemon zügelte die Stute widerstrebend.
Tänzer hatte den Graben in Windeseile erreicht. Sein schwarzer Schweif und Jaenelles goldenes Haar wehten wie Siegesfahnen hinter ihnen her. Als sie sich dem Graben näherten, verlangsamte der Hengst sein Tempo und lief einen weiten Bogen zurück zur Mitte des Feldes, wo die kleineren Hürden aufgebaut waren. Er nahm die niedrigen Holzgerüste, als handele es sich um steile Steinmauern,
indem er zu hohen, eindrucksvollen Sprüngen ansetzte. Als das Pferd im Kanter auf die Hürden zulief, konnte Daemon Jaenelles silbernes Lachen hören.
Sie wendete den Hengst, um eine weitere Runde um das Feld zu machen, woraufhin Daemon seine Stute antrieb, bis er in gemächlichem Tempo an Jaenelles Seite ritt. Wilhelmina und Andrew waren hinter ihnen.
Als sie sich dem Anfang ihrer Runde näherten, ließ Jaenelle Tänzer im Schritt gehen. »Ist er nicht wunderbar?« Sie streichelte seinen schweißbedeckten Hals.
»Er war ein kleines bisschen ehrgeiziger, als ich auf ihm ausgeritten bin«, meinte Daemon trocken.
Jaenelle legte die Stirn in Falten. »Ehrgeizig?«
»Mhm. Er wollte mir das Fliegen beibringen.«
Sie lachte. Das Geräusch sang zu seinem Blut. Dann wandte sie sich ihm zu. Unter der fröhlichen Oberfläche wirkten ihre Augen gequält und traurig. »Vielleicht würde er dich mehr mögen, wenn du mit ihm sprichst – und ihm zuhörst.«
Am liebsten hätte Daemon etwas Leichtfertiges, Amüsantes erwidert, um ihren Augen den gehetzten Ausdruck zu nehmen, doch auf einmal spitzte der Hengst die Ohren und schien ihrem Gespräch zu lauschen und Daemon fühlte sich unbehaglich. »Die Leute reden die ganze Zeit mit ihm. Wahrscheinlich weiß er mehr über die Geheimnisse der Stallburschen als irgendwer sonst.«
»Ja, aber sie hören ihm nicht zu, oder?«
Daemon erwiderte nichts und konzentrierte sich darauf, gleichmäßig zu atmen.
»Er ist Blut, Daemon, wenn auch nur ein bisschen. Nicht genug, um uns verwandt zu sein, aber zu sehr, um …« Jaenelle deutete mit einer beiläufigen Handbewegung auf die Stute und die Ponys.
Nervös fuhr sich Daemon mit der Zunge über die Lippen, doch sein Mund war zu ausgetrocknet. Er entsann sich der Geschichte, die er von der Köchin über die Hunde gehört hatte. »Was meinst du mit verwandt ?«
»Blut, aber nicht derselben Art. Blut, aber kein Mensch. Verwandt bedeutet … ähnlich, aber auch nicht ähnlich.«
Daemon blickte zum Herbsthimmel empor, über den ein paar wenige flockige Wolken zogen, während die Sonne ihre letzte Wärme aussandte. Nein, am Wetter konnte es nicht liegen, dass er mit einem Mal zitterte. »Er ist ein Mischling«, sagte er schließlich, ohne die Wahrheit wirklich wissen zu wollen. »Halb Blut, halb Landen, für immer gefangen in der Mitte.«
»Ja.«
»Aber du kannst ihn verstehen und mit ihm sprechen?«
»Ich höre ihm zu.« Jaenelle trieb Tänzer an, bis er in leichten Trab verfiel.
Daemon hielt die Stute zurück und beobachtete, wie Mädchen und Pferd das Feld umrundeten. »Verdammt.« Dieses Wissen schmerzte mehr, als die Halbblute anzusehen, denen Daemon im Laufe der Jahre begegnet war und die zu stark, zu gehetzt waren und zu sehr an einem unstillbaren Verlangen litten, um sich in das Leben in einem Landendorf einfügen zu können. Gleichzeitig trennte sie jedoch selbst von den schwächsten Blutleuten ein großer Abgrund, da kein Halbblut stark genug war, diese Kluft zu überbrücken. Doch Menschen konnten zumindest mit anderen Menschen kommunizieren. Wen hatte dieser vierfüßige Bruder? Kein Wunder, dass er derart vorsichtig mit Jaenelle umging.
Plötzlich stürzten Jaenelle und Tänzer auf Andrew zu, der von seinem Pony gesprungen war und fieberhaft die Steigbügel verstellte. Daemon gab seiner Stute die Sporen und hielt im Galopp auf die anderen zu.
»Andrew ...«
»Schnell! Stell Tänzers Steigbügel tiefer!«
Nachdem Daemon die Zügel der Stute fallen gelassen hatte, eilte er zu dem Hengst. »Ruhig, Tänzer«, sagte er und streichelte den Hals des Pferdes, bevor er nach den Steigbügeln griff.
»Miss Jaenelle.« Andrew packte sie kurzerhand und setzte sie auf das Pony. Er drehte sich im Kreis, wobei er mit den Augen den Boden absuchte. »Deine Kappe! Verflucht noch mal, deine Kappe!«
»Hier.« Jaenelle hielt die Reitkappe in die Höhe und setzte sie sich wieder auf. Ihr Haar, das
Weitere Kostenlose Bücher