Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
»Ja.« Sie sah zu dem Beet mit dem Hexenblut hinüber. »Ja.« Dann verließ sie die Gartennische, ohne auf ihn zu warten.
Daemon ließ eine Minute verstreichen, damit sie das Haus nicht zusammen betraten. Es durfte auf keinen Fall offensichtlich werden. Um sie zu schützen, musste er Vorsicht walten lassen.
Nachdem er einen letzten Blick auf das Hexenblut geworfen hatte, stürzte er aus der Nische. Auf dem Weg durch den Garten legte sich die gewohnte kalte Maske über seine Gesichtszüge, und das Glücksgefühl, das ihn eben noch durchdrungen hatte, schliff die Klinge seines Zorns, bis er die Luft hätte schneiden können.
Wenn man auf die richtige Art und Weise zu ihnen singt, sagen sie einem die Namen der Verstorbenen.
Alles hat seinen Preis.
Egal wie hoch der Preis sein mochte, was auch immer er würde tun müssen – er würde dafür sorgen, dass keine dieser Pflanzen je ihr gewidmet sein würde.
3Terreille
D aemon zog sich die glänzende, tiefrote Weste über und richtete anschließend den Kragen seines gold-weiß gemusterten Hemdes. Zufrieden betrachtete er sein Spiegelbild. Humor und gute Laune hatten seinen Augen die Farbe geschmolzenen Goldes verliehen und das jungenhafte Grinsen gab seinem Gesicht ein leicht verändertes Aussehen. Seine äußere Verwandlung überraschte ihn, doch nach einem Augenblick schüttelte er nur den Kopf und kämmte sich die Haare.
Den Unterschied machten Jaenelle und ihre unberechenbare Art aus, ihm Sorgen zu bereiten, seine Neugierde zu wecken, ihn zu faszinieren, in den Wahnsinn zu treiben und zu erfreuen. Vor allem aber gab sie ihm, der schon längst darüber hinaus war – ihm, dem gelangweilten, erschöpften Sadi –, eine Kindheit. Sie verstand es, die Tage durch Magie und Staunen in frische Farben zu tauchen, und er sah von neuem all die Dinge, denen er selbst längst keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt hatte.
Er warf seinem Spiegelbild ein Grinsen zu. In diesem Moment fühlte er sich wie ein Zwölfjähriger. Nein, nicht zwölf! Er war mindestens weltkluge vierzehn. Immer noch jung genug, um mit einem Mädchen zu spielen, doch schon so alt, dass er sich Gedanken darüber machte, an welchem Tag er ihr den ersten Kuss stehlen würde.
Nachdem Daemon in seinen Mantel geschlüpft war, ging er in die Küche, nahm sich zwei Äpfel aus dem Korb, zwinkerte der Köchin zu und freute sich auf einen Morgen mit Jaenelle.
Der Garten war unter einer dicken Decke aus Pulverschnee begraben, der wie Mehl an seinen Beinen hochstieb. Er folgte den kleineren Fußstapfen, die den Weg entlangschritten, hüpften und sprangen. Als er die kleine Biegung erreichte, die ihn größtenteils vor den Blicken eines etwaigen Beobachters aus den oberen Fenstern des Anwesens schützte, verschwanden die Fußspuren.
Sogleich ließ Daemon den Blick über die angrenzenden Bäume schweifen und seufzte erleichtert, als er sie auf keinem entdecken konnte. War sie in ihren eigenen Spuren zurückgelaufen, um ihm aufzulauern?
Grinsend sammelte er mit seinen behandschuhten Händen etwas Schnee, doch er war zu pulverig und wollte nicht zusammenkleben. Als Daemon sich wieder aufrichtete, traf ihn ein Schneeball im Genick.
Daemon wirbelte herum, die Augen zu Schlitzen verengt, obwohl es verdächtig um seine Lippen zuckte. Jaenelle stand nicht weit von ihm entfernt, ihr Gesicht glühte vor Übermut und guter Laune, und sie hatte den Arm erhoben, um ein weiteres Mal zu feuern. Er stemmte die Fäuste in die Hüften. Auf der Stelle ließ sie den Arm sinken und sah ihn unter ihren Wimpern hinweg an, wobei sie versuchte, möglichst ernst dreinzublicken, während sie auf seine Standpauke wartete.
Lange warten musste sie nicht. »Es ist absolut ungerecht«, sagte er in seiner strengsten Stimme, »eine Schneeballschlacht anzuzetteln, wenn nur eine Seite in der Lage ist, Schneebälle zu fabrizieren.« Er wartete und genoss das Glitzern in ihren Augen. »Nun?«
Auch ohne die darunter liegenden Gedanken zu lesen, konnte er spüren, dass ihre Berührung voll Lachen war. Daemon lernte, wie man Schneebälle aus Pulverschnee machte. Auch diese Übung ähnelte einer grundlegenden Lektion in der Kunst – dem Erschaffen einer Kugel Hexenlichts – , doch sie setzte eine subtilere, tiefere Kenntnis der Kunst voraus, als er je bei jemandem angetroffen hatte.
»Hat der Priester dir das beigebracht?«, fragte er, als er sich entzückt über den perfekten Schneeball in seiner Hand wieder aufrichtete.
Entgeistert starrte
Weitere Kostenlose Bücher