Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
Knie sehen – und ihre Füße. Langsam setzte er sich aufrecht hin und betrachtete die Kinderfüße, die im Nichts zu stehen schienen. »Die Lektion muss ich wohl verpasst haben«, meinte er trocken. »Kannst du es mir zeigen?«
Jaenelle, auf einmal schüchtern, zauderte.
»Bitte?« Er verabscheute die Wehmut, die in seiner Stimme mitschwang, und er hasste es, sich derart verletzlich zu fühlen. Ursprünglich hatte sie ihn mit einer Ausrede abspeisen
wollen, das sah er ihr an, doch der Klang seiner Stimme ließ sie stocken. Sie betrachtete ihn eingehend. Daemon hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie in seinem Gesicht sah. Alles, was er wusste, war, dass er sich unter dem eindringlichen Blick ihrer Augen vollkommen hilflos fühlte.
Sie schenkte ihm ein schüchternes Lächeln. »Ich könnte es versuchen.« Zögernd hielt sie inne. »Ich habe noch nie versucht, einem Erwachsenen etwas beizubringen.«
»Erwachsene sind genau wie Kinder, bloß größer«, meinte Daemon heiter und stand auf.
Belustigt stieß sie einen Seufzer aus. »Hier hoch«, sagte sie, indem sie sich auf die Bank stellte.
Daemon stellte sich neben sie.
»Kannst du die Bank unter deinen Füßen spüren?«
Das konnte er in der Tat. Es war ein kalter Tag, der bis zum folgenden Morgen Schnee versprach, und Daemon konnte die Kälte spüren, die von der eisernen Bank ausging und durch seine Schuhe kroch. »Ja.«
»Du musst die Bank wirklich spüren. «
»Lady«, entgegnete Daemon trocken. »Ich kann die Bank wirklich spüren .«
Jaenelle rümpfte die Nase. »Nun, alles was du tun musst, ist, die Bank über die gesamte Gartennische auszudehnen. Du trittst nach vorne« – sie bewegte einen Fuß nach vorne und es hatte den Anschein, als trete sie auf etwas Festes – »und spürst die Bank weiterhin. So.« Mit diesen Worten zog sie den anderen Fuß nach, sodass sie genau in Höhe der Bank in der Luft stand. Sie warf ihm über die Schulter einen Blick zu.
Daemon atmete tief durch. »Also schön.« Er stellte sich vor, die Bank reiche bis weit vor ihm, und trat nach vorne in die Luft. Da ihn jedoch nichts hielt, stürzte er zu Boden, wobei er so unglücklich mit dem Fuß aufkam, dass ihn ein stechender Schmerz von seinem Knöchel bis hinauf zum Knie durchzuckte.
Er setzte auch den anderen Fuß auf den Boden und belastete den Knöchel behutsam. Eine kleine Zerrung hatte er sich zugezogen, ansonsten war das Gelenk jedoch in Ordnung. Er hatte ihr halb den Rücken zugewandt und wartete mit zusammengebissenen Zähnen auf überhebliches Gekicher, das er an so vielen anderen Höfen vernommen hatte, wenn man ihn dazu gebracht hatte, einen Narren aus sich zu machen. Sein Versagen machte ihn wütend, ebenso erboste ihn das plötzliche Gefühl der Verzweiflung, weil er in ihren Augen nun kein angemessener Begleiter mehr sein würde.
Er hatte vergessen, wer Jaenelle war.
»Es tut mir Leid, Daemon«, erklang ein zitterndes, leises Stimmchen hinter ihm. »Es tut mir Leid. Bist du verletzt?«
»Nur mein Stolz«, erwiderte Daemon, indem er sich zu ihr umdrehte, ein reumütiges Lächeln auf den Lippen. »Lady?« Dann beunruhigt: »Lady! Jaenelle, nein, nicht weinen!« Er nahm sie in die Arme. Ihre Schultern bebten, während sie versuchte, kein hörbares Schluchzen von sich zu geben. »Nicht weinen«, flüsterte Daemon und strich ihr beruhigend über das Haar. »Bitte weine nicht. Ich bin nicht verletzt, ehrlich nicht!« Da sie ihr Gesicht an seiner Brust vergraben hatte, gestattete er sich ein gequältes Lächeln, als er ihr einen Kuss auf den Haarschopf gab. »Ich schätze, ich bin doch zu erwachsen, um noch Magie erlernen zu können.«
»Nein, bist du nicht«, erklärte Jaenelle, stieß sich von ihm ab und wischte sich mit den Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. »Ich habe nur noch nie probiert, es jemandem zu erklären.«
»Da haben wir es«, meinte er mit gespielter Heiterkeit. »Wenn du es noch nie zuvor jemandem gezeigt hast …«
»Oh, gezeigt habe ich es schon vielen meiner Freunde«, erwiderte Jaenelle brüsk. »Ich habe es bloß noch nie erklärt.«
Daemon war verwirrt. »Und wie hast du es ihnen gezeigt? «
Auf der Stelle spürte er, wie sie vor ihm zurückwich.
Nicht körperlich – sie hatte sich nicht von der Stelle gerührt – , sondern in ihrem Innern.
Nervös warf sie ihm einen kurzen Blick zu, bevor sie das Gesicht hinter dem Schleier ihres Haares verbarg. »Ich ... habe sie ... berührt, damit sie es verstehen konnten.«
Daemon
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