Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
Steinen nach Nahrung suchte, bemerkte ihn nicht, als er an ihr vorüberging. Die Hexe, die in diesem Labyrinth aus Zimmern lebte, würde seine Gegenwart ebenfalls nicht wahrnehmen. Obgleich sie beide schwarze Juwelen trugen, war seine Kraft ein wenig dunkler, einen Hauch tiefer als ihre.
An einer Schlafzimmertür hielt Saetan inne. Das Bettzeug sah relativ neu aus, ebenso die schweren, zugezogenen Vorhänge am Fenster. Solche Vorhänge brauchte sie, wenn sie sich bei Tageslicht hinlegen wollte.
Zu Beginn des Schattenlebens behielten die Körper der Hüter die meisten Eigenschaften der Lebenden bei. Sie nahmen wie die Lebenden Nahrung zu sich, tranken Blut wie die Dämonentoten und konnten sich im Tageslicht fortbewegen, obgleich sie Dämmerung und Nacht vorzogen. Im Laufe der Jahrhunderte nahm das Verlangen nach Nahrung ab, bis nur noch Yarbarah, der Blutwein, nötig war. Die Vorliebe
für die Dunkelheit wurde zu einer Notwendigkeit, da das Tageslicht ihnen nun körperliche Schmerzen verursachte.
Er traf sie in der Küche an, wo sie vor sich hin summte, ohne die richtigen Töne zu treffen, und ein Weinglas aus einem Schrank holte. Ihr formloses Gewand war schmutzig und das lange, geflochtene Haar, das mittlerweile zu einem staubigen Rot ausgebleicht war, von Spinnweben umhüllt. Als sie sich zur Tür umwandte, ohne sich seiner Gegenwart bewusst zu sein, ebnete der Schein des Feuers fast alle Falten in ihrem Gesicht. Er wusste, dass diese Falten existierten, weil sie auf dem Porträt zu sehen waren, das in seinem privaten Arbeitszimmer hing, das Porträt, das er so gut kannte. Sie war älter geworden seit dem Tod, der keiner war.
Doch bei ihm war es nicht anders.
Er ließ den Sichtschild und den geistigen Schild sinken.
Das Weinglas zerbarst auf dem Boden.
»Zauberst du ein wenig am häuslichen Herd, Cassandra?«, erkundigte er sich sanft, während er kaum des überwältigenden Gefühls Herr wurde, verraten worden zu sein.
Sie wich vor ihm zurück. »Ich hätte wissen müssen, dass sie es dir sagen würde.«
»Ja, das hättest du. Genauso hättest du dir denken können, dass ich herkommen würde.« Er warf seinen Umhang achtlos über einen hölzernen Stuhl und stellte belustigt fest, dass sie ihre smaragdgrünen Augen weit aufriss, als sie sah, wie schwer er sich auf seinen Stock stützte. »Ich bin alt, Lady. Völlig harmlos.«
»Du warst noch nie harmlos«, erwiderte sie scharf.
»Stimmt, aber es schien dir nie etwas auszumachen, solange du Verwendung für mich hattest.« Er blickte zur Seite, als sie ihm nicht antwortete. »Hast du mich so sehr gehasst? «
Cassandra streckte die Hände nach ihm aus. »Ich habe dich nie gehasst, Saetan. Ich ...«
... habe dich gefürchtet.
Unausgesprochen hingen die Worte zwischen ihnen.
Cassandra ließ das zerbrochene Glas verschwinden. »Möchtest du etwas Wein? Ich habe keinen Yarbarah anzubieten, aber einen guten Roten.«
Saetan ließ sich auf einem Stuhl an dem Kiefernholztisch nieder. »Warum trinkst du keinen Yarbarah?«
Cassandra stellte eine Flasche und zwei Gläser auf den Tisch. »Der ist hier schwer zu bekommen.«
»Ich werde dir welchen schicken.«
Das erste Glas Wein tranken sie schweigend.
»Warum?«, fragte er schließlich.
Cassandra spielte mit ihrem Glas. »Es gibt nur sehr wenige Königinnen mit schwarzen Juwelen. Als ich Hexe wurde, gab es niemanden, der mir hätte helfen können, niemanden, mit dem ich hätte reden oder der mich auf die drastischen Veränderungen in meinem Leben nach dem Opfer hätte vorbereiten können.« Sie stieß ein bitteres Lachen aus. »Ich hatte keine Ahnung, was es bedeutete, die Hexe zu sein, und ich wollte nicht, dass es der nächsten genauso erginge.«
»Du hättest mir sagen können, dass du Hüterin werden wolltest, anstatt deinen endgültigen Tod vorzutäuschen.«
»Damit du als loyaler, treuer Gefährte bei einer Königin geblieben wärst, die keinen Begleiter mehr brauchte?«
Saetan füllte die Gläser erneut. »Ich hätte dein Freund sein oder du hättest mich aus deinem Hofstaat entlassen können, wenn es das war, was du wolltest.«
»Dich entlassen? Dich? Du warst ... bist... Saetan, der Fürst der Finsternis, Herr der Hölle. Niemand entlässt dich, nicht einmal Hexe .«
Saetan starrte sie an. »Du sollst verflucht sein«, sagte er grimmig.
Müde strich Cassandra sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Es ist geschehen, Saetan, und es liegt etliche Lebensalter zurück. Jetzt müssen wir an das Kind
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