Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
lose Haarsträhnen in ihren Zopf zurück. »Saetan, nicht nur um sie, auch um Beldon Mor liegt Nebel.«
Saetan sah sie mit gerunzelter Stirn an. Was ging ihn die Wetterlage in irgendeiner Stadt an? Das Bild hingegen barg eine Antwort, er musste nur darauf kommen.
»Ein mentaler Nebel«, fuhr Cassandra fort und pochte mit den Fingerknöcheln auf den Tisch, »der Dämonen und Hüter abhält.«
Saetan wurde hellhörig. »Wo liegt Beldon Mor?«
»Auf Chaillot, einer Insel, die westlich von hier liegt. Von dem Hügel hinter der heiligen Stätte kann man sie sehen. Beldon Mor ist die Hauptstadt. Ich glaube, Jaenelle lebt dort. Ich habe versucht, einen Weg hinein ...«
Jetzt hatte sie seine ungeteilte Aufmerksamkeit. »Bist du des Wahnsinns?« Er fuhr sich mit den Fingern durch das dichte, schwarze Haar. »Wenn sie sich derart viel Mühe gibt, sich versteckt zu halten, wieso versuchst du dann, dort einzubrechen?«
»Weil sie ist, was sie ist«, stieß Cassandra zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich dachte, das wäre offensichtlich.«
»Brich nicht in ihre Privatsphäre ein, Cassandra. Du darfst ihr keinerlei Anlass geben, dir zu misstrauen. Das
dürfte doch wohl mindestens genauso offensichtlich sein!«
Etliche Minuten verstrichen in angespanntem Schweigen.
Saetans Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf das Bild, ein kreatives Gemisch aus leuchtenden Farben, auch wenn er sich nicht erklären konnte, was es darstellen sollte. Wie war es möglich, dass ein Kind, das Schmetterlinge erschaffen, ein Gebilde von der Größe der Burg bewegen und einen mentalen Schutzschild errichten konnte, der nur bestimmte Wesen fern hielt, so hoffnungslos schlecht in den einfachsten Kunstfertigkeiten sein konnte?
»Es ist unbeholfen«, flüsterte Saetan, wobei er die Augen aufriss.
Erschöpft blickte Cassandra auf. »Sie ist ein Kind, Saetan. Du kannst nicht erwarten, dass sie die Übung oder die Kontrolle ...«
Sie stieß einen überraschten Schrei aus, als Saetan sie plötzlich am Arm packte. »Aber genau das ist es! Dinge zu tun, die ungeheure Mengen an geistiger Energie kosten, ist für Jaenelle, als würde man ihr ein riesiges Stück Papier und dicke Farbkreiden in die Hand geben. Kleine Dinge, die Grundlagen, mit denen wir normalerweise anfangen, weil sie nicht viel Kraft erfordern, stellen sie vor dasselbe Problem, als würde man ihr einen Pinsel mit einem einzigen Haar zur Verfügung stellen. Dafür fehlt ihr noch die körperliche oder geistige Kontrolle.« Frohlockend lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück.
»Wunderbar«, stellte Cassandra sarkastisch fest. »Sie kann also keine Möbelstücke innerhalb eines Zimmers verschieben, dafür aber einen ganzen Kontinent vernichten.«
»Das würde sie niemals tun. Es entspricht nicht ihrem Naturell.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein? Wie willst du sie kontrollieren?«
Wieder waren sie an diesem Punkt angelangt.
Er nahm seinen Umhang und legte ihn sich um die
Schultern. »Ich werde sie nicht kontrollieren, Cassandra. Sie ist Hexe . Kein Mann hat das Recht, Hexe zu kontrollieren. «
Cassandra musterte ihn eingehend. »Was willst du dann tun?«
Saetan griff nach seinem Stock. »Sie lieben. Das wird reichen müssen.«
»Und wenn es nicht reicht?«
»Das muss es.« An der Küchentür blieb er stehen. »Darf ich dich ab und an besuchen?«
Ihr Lächeln erreichte ihre Augen nicht ganz. »So ist es unter Freunden.«
Als er die heilige Stätte verließ, fühlte er sich belebt und verletzt zugleich. Einst hatte er Cassandra sehr geliebt, doch er hatte nicht das Recht, sie um etwas zu bitten, um das ein Kriegerprinz eine Königin laut Protokoll nicht bitten durfte.
Außerdem war Cassandra seine Vergangenheit. Seine Zukunft hieß Jaenelle, so wahr ihm die Dunkelheit helfe.
2Hölle
A ls Saetan sich aus dem schwarzen Wind fallen ließ, erschien er in einem äußeren Hof, der eines der offiziellen Landenetze des Bergfrieds beherbergte. Das Netz war in den Fels geritzt und wies in der Mitte ein durchsichtiges Juwel auf. Klare Juwelen dienten denjenigen, die mit den Winden reisten, als Leuchtfeuer – eine Art Willkommenskerze im Fenster – und jedes Landenetz besaß eines. Es war die einzige Verwendungsmöglichkeit, die man je für sie gefunden hatte.
Saetan humpelte über den Hof, wobei er sich schwer auf seinen Stock stützte, und ging auf die gewaltige metallene Flügeltür zu, die direkt in den Berg eingelassen war. Er läutete
und wartete, Zutritt zum
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