Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
denken.«
Saetan beobachtete, wie die Flammen an der Feuerstelle
emporzüngelten. Sie hatte ein Anrecht auf ihr eigenes Leben und war gewiss nicht für das seine verantwortlich, doch sie verstand nicht – oder wollte nicht verstehen –, was ihre Freundschaft ihm bedeutet hätte. Selbst ohne sie zu sehen, hätte das Wissen das Gefühl der Leere ein wenig gemildert. Hätte er Hekatah geheiratet, wenn er nicht so schrecklich einsam gewesen wäre?
Cassandra schlang die Finger um ihr Glas. »Du hast sie getroffen?«
Als Saetan an die Begegnung in seinem Arbeitszimmer dachte, musste er schnauben. »Ja, ich habe sie gesehen.«
»Sie wird Hexe werden, da bin ich mir ganz sicher.«
»Wird?« Saetans goldene Augen verengten sich zu Schlitzen. »Was meinst du mit wird ? Sprechen wir von demselben Kind? Jaenelle?«
»Selbstverständlich sprechen wir von Jaenelle«, entgegnete sie unwirsch.
»Sie wird nicht Hexe werden, Cassandra. Sie ist es bereits.«
Energisch schüttelte Cassandra den Kopf. »Unmöglich. Hexe trägt immer die schwarzen Juwelen.«
»Das tut die Tochter meiner Seele«, erwiderte Saetan eine Spur zu ruhig.
Es dauerte einen Augenblick, bis sie verstand, was er damit meinte. Dann hob sie das Weinglas mit zitternden Händen und leerte es in einem Zug. »Wo ... woher weißt du ...«
»Sie hat mir die Juwelen gezeigt, die sie erhielt. Ein vollständiger, ungeschliffener Satz der helleren Juwelen – und es war das erste Mal, dass ich irgendjemanden von Schwarzgrau als einem hellen Juwel sprechen hörte – und dreizehn ungeschliffene schwarze.«
Cassandra wurde aschfahl im Gesicht und Saetan, dem ihr schockierter Blick Sorgen bereitete, massierte ihr die eiskalten Hände. Sie war diejenige gewesen, die das Kind zuerst in ihrem Verworrenen Netz gesehen und ihm davon erzählt hatte. Hatte sie Hexe nur gesehen, ohne zu begreifen, was genau auf sie alle zukam?
Saetan belegte seinen Umhang mit einem Wärmezauber und hüllte sie darin ein, bevor er ein weiteres Glas Wein über einer Flamme Hexenfeuer erwärmte. Als ihre Zähne zu klappern aufhörten, kehrte er auf seinen eigenen Stuhl zurück.
In ihren Augen stand die Frage geschrieben, die sie nicht in Worte fassen konnte.
»Lorn«, sagte er leise. »Sie hat die Juwelen von Lorn.«
Cassandra erschauderte. »Mutter der Nacht.« Sie schüttelte den Kopf. »So ist es nicht gedacht, Saetan. Wie sollen wir sie kontrollieren?«
Seine Hand zuckte unruhig, als er sein Glas füllte. Wein spritzte auf den Tisch. »Wir kontrollieren sie nicht und wir werden es nicht einmal versuchen.«
Cassandra schlug mit der Hand auf den Tisch. »Sie ist ein Kind! Zu jung, um so viel Macht zu begreifen, und emotional noch nicht weit genug, um die damit einhergehende Verantwortung auf sich zu nehmen. In ihrem Alter ist sie zu leicht beeinflussbar.«
Beinahe hätte er sie gefragt, wessen Einfluss sie fürchtete, doch vor seinem Auge tauchte Hekatahs Antlitz auf. Die hübsche, bezaubernde, intrigante, niederträchtige Hekatah, die ihn in dem Glauben geheiratet hatte, er würde sie mindestens zur Hohepriesterin von Terreille machen oder vielleicht gar zur einflussreichsten Frau in allen drei Reichen. Als er sich ihren Wünschen nicht beugte, hatte sie es auf eigene Faust versucht und den Krieg zwischen Terreille und Kaeleer heraufbeschworen, unter dessen Folgen Terreille jahrhundertelang gelitten hatte. Viele Völker in Kaeleer hatten daraufhin ihre Gebiete gegen Fremde verbarrikadiert, sodass man von diesen Landstrichen seitdem nichts mehr gesehen oder gehört hatte.
Wenn Hekatah Jaenelle in die Klauen bekam und das Mädchen nach ihrem eigenen gierigen, von Ehrgeiz zerfressenen Bild formte ...
»Du musst sie kontrollieren, Saetan«, meinte Cassandra, wobei sie ihn nicht aus den Augen ließ.
Saetan schüttelte den Kopf. »Selbst wenn ich es wollte, glaube ich nicht, dass ich dazu in der Lage wäre. Um sie liegt ein ebenso süßer wie kalter, schwarzer Nebel. Trotz ihrer jungen Jahre bin ich mir nicht sicher, dass ich ohne ihr Einverständnis herausfinden möchte, was darunter verborgen liegt.«
Verärgert über Cassandras wütenden Blick, sah Saetan sich in der Küche um und bemerkte eine primitive Zeichnung, die an der Wand hing. »Woher hast du das?«
»Was? Ach so, das hat Jaenelle vor ein paar Tagen hergebracht und mich gebeten, es aufzuheben. Anscheinend hatte sie bei einer Freundin gespielt und wollte das Bild nicht mit nach Hause nehmen.« Cassandra steckte ein paar
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