Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
zurück.
Saetan unterdrückte das Verlangen, die Antwort aus ihr herauszuschütteln, und stieß einen theatralischen Seufzer aus. »Ein Geheimnis unter Freunden, wie?«
Jaenelle nickte.
Wieder seufzte er. »In diesem Fall habe ich nicht danach gefragt.« Er klopfte ihr leicht mit dem Finger auf die Nase. »Aber das bedeutet, dass du ihm auch nicht von unseren Geheimnissen erzählen wirst.«
Jaenelle sah ihn mit großen Augen an. »Haben wir denn welche?«
»Noch nicht«, meinte er, »aber ich lasse mir etwas einfallen, damit wir eines haben.«
Sie stieß ein silbernes, samtweiches Lachen aus, das einen außergewöhnlichen Klang hatte und die Stimme erahnen ließ, die sie in ein paar Jahren haben würde.
»Also gut, Hexenkind, lass uns zur Sache kommen. Steck die wieder weg, hierfür brauchst du sie nicht.«
»Zur Sache kommen?«, fragte sie, während sie die Juwelen aufsammelte und die Beutel in den Falten ihres Kleides verschwinden ließ.
»Deine erste Lehrstunde in den Grundlagen der Kunst.«
Jaenelle sackte in sich zusammen, schien jedoch gleichzeitig aufzuleben.
Saetan zuckte mit einem Finger, woraufhin sich ein rechteckiger Briefbeschwerer von dem Ebenholzschreibtisch erhob und durch die Luft glitt, bis er auf dem niedrigen Tisch neben dem Sessel landete. Bei dem Briefbeschwerer handelte es sich um einen polierten Stein aus demselben Steinbruch, aus dem auch die Felsblöcke stammten, mit denen er die Burg dieses Reiches erbaut hatte.
Saetan schob Jaenelle vor den Tisch. »Ich möchte, dass du mit einem Finger auf den Briefbeschwerer deutest ... so... und ihn so weit wie möglich über den Tisch bewegst.«
Jaenelle benetzte sich zögernd die Lippen, bevor sie den Finger ausstreckte.
Saetan spürte, wie die rohe Gewalt durch sein schwarzes Juwel schoss.
Der Briefbeschwerer rührte sich nicht von der Stelle.
»Versuch es noch einmal, Hexenkind, aber diesmal in die andere Richtung.«
Wieder gab es eine gewaltige Woge, doch der Briefbeschwerer bewegte sich nicht.
Verwirrt kratzte sich Saetan am Kinn. Diese einfache Übung in Sachen Kunst sollte ihr nicht die geringsten Probleme bereiten.
Jaenelle ließ den Kopf hängen. »Ich versuche es ja«, sagte sie mit gebrochener Stimme. »Ich versuche es und versuche es, aber es will mir nie gelingen.«
Saetan umarmte sie und fühlte ein bittersüßes Brennen in seinem Herzen, als sie ihm die Arme um den Hals schlang. »Das macht nichts, Hexenkind. Es dauert, bis man die Kunst erlernt.«
»Warum kann ich es nicht? Alle meine Freunde können es!«
Obgleich Saetan sie am liebsten weiter umarmt hätte, hielt er sie nun ein Stück von sich. »Vielleicht sollten wir
mit etwas beginnen, das dir gehört. Das ist meist einfacher. Gibt es irgendetwas, das dir Probleme bereitet?«
Jaenelle strich sich durch die Haare und legte die Stirn in Falten. »Ich kann meine Schuhe nie finden.«
»Das reicht.« Saetan griff nach seinem Spazierstock. »Stell einen Schuh vor den Schreibtisch und geh dann dort drüben hin.«
Er humpelte an das gegenüberliegende Ende des Zimmers und stellte sich mit dem Rücken zu Cassandras Porträt auf. Der Gedanke, seiner neuen Königin unter den wachsamen, aber unwissenden Augen seiner alten Königin die ersten Unterweisungen in der Kunst zu geben, amüsierte ihn.
Als Jaenelle neben ihn trat, sagte er: »Wenn man die magische Kunst anwendet, geht es häufig darum, eine physische Kraft in eine geistige zu verwandeln. Ich möchte, dass du dir vorstellst – wie steht es übrigens um deine Vorstellungskraft? « Saetan stockte. Weshalb sah sie so verletzt aus? Er hatte sie lediglich ein wenig necken wollen; immerhin hatte er bereits jenen Schmetterling zu Gesicht bekommen. »Ich will, dass du dir vorstellst, den Schuh aufzuheben und hierher zu bringen. Greif nach vorn, pack ihn und bring ihn her.«
Jaenelle streckte den Arm so weit wie möglich aus, schloss die Hand und riss den Arm wieder zurück.
Dann passierte alles auf einmal.
Die Ledersessel schossen vom Kamin her auf Saetan zu. Er setzte Jaenelles Kunst seine eigene entgegen, doch zu seinem Entsetzen musste er feststellen, dass es nichts änderte, und im nächsten Moment hatte ihn einer der Sessel umgeworfen. Es blieb ihm gerade genug Zeit, um sich zusammenzukauern, bevor der Sessel hinter dem Ebenholzschreibtisch von hinten mit dem Sessel zusammenstieß, auf dem er sich befand. Der Schreibtischsessel schob sich über den anderen, sodass Saetan inmitten der Möbelstücke gefangen
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