Die schwarzen Juwelen 01 - Dunkelheit
schüttelte den Kopf und versuchte, beruhigend zu lächeln.
Eine Stunde verbrachte er noch mit Manny und Jo, der schließlich aus seiner Werkstatt gekommen war. Daemon unterhielt sie mit leicht schlüpfrigen Anekdoten über die Blutaristokraten, denen er an unterschiedlichen Höfen gedient hatte, ohne den beiden dabei jedoch das Geringste über sein Leben zu erzählen. Es würde ihm unendlich wehtun, wenn Manny ihn jemals als Haylls Hure sähe.
Nachdem er sich schließlich verabschiedet hatte, wanderte er mehrere Stunden lang ziellos umher, ohne etwas gegen das Zittern tun zu können, das ihn am ganzen Körper befallen hatte. Der Schmerz eines ganzen Lebens voller Lügen wuchs mit jedem Schritt und sein Zorn drohte den letzten Rest seiner Selbstbeherrschung zu zerreißen.
Der Morgen dämmerte schon, als er auf den roten Wind aufsprang und nach Draega reiste.
Zum ersten Mal in seinem Leben verlangte es ihn danach, Dorothea zu sehen.
Kapitel 5
1Terreille
A ls Kartane SaDiablo von seiner Suite zu den Audienzzimmern ging, fragte er sich, ob er sich beim Mutantrinken vielleicht ein Glas Brandy zu viel gegönnt hatte, bevor er vor seiner Mutter erscheinen und offiziell an ihren Hof zurückkehren würde. Wenn dem nicht so war, benahm sich der gesamte Hof reichlich merkwürdig. Die Blutaristokraten huschten in kleinen, dicht gedrängten Grüppchen durch die Säle und blickten sich immer wieder misstrauisch um. Für die Männer war es nichts Ungewöhnliches, sich derart zu benehmen; sie rempelten einander nervös an und schubsten sich gegenseitig, bis einer nach vorne geschoben und als Opfer dargebracht wurde. Im Mittelpunkt von Dorotheas Aufmerksamkeit zu stehen war immer eine unangenehme Erfahrung, egal, ob sie mit dem jeweiligen Mann zufrieden war oder sich über ihn ärgerte. Doch dass die Frauen sich genauso benahmen ...
Erst als er einen Dienstboten tatsächlich lächeln sah, begriff er.
Doch zu diesem Zeitpunkt war es bereits zu spät.
Ihm schlug die Kälte entgegen, als er um eine Ecke bog und gerade noch vor Daemon zum Stehen kam. Vor langer Zeit hatte er aufgehört, die Gefühle zu ergründen, die er jedes Mal empfand, wenn er Daemon sah – Erleichterung, Angst, Wut, Neid, Scham. In diesem Augenblick fragte er sich nur, ob Daemon gekommen war, um ihn nun doch zu töten.
Kartane verfiel sofort in das einzige Verhalten, das ihm gegenüber Daemon geblieben war. Er verzog die Lippen zu einem spöttischen Lächeln und sagte: »Hallo, Cousin .«
»Kartane.« Aus Daemons tonloser Stimme, derer er sich bei Hofe bediente, sprach Langeweile.
»Du bist also an den Hof zurückbeordert worden. War Tante Hepsabah einsam?« Das war es. Daemon musste immer schön daran erinnert werden, was er war.
»Und Dorothea?«
Kartane bemühte sich, überheblich und unverschämt zu klingen und weiterhin höhnisch zu lächeln – und dabei auf keinen Fall an die Dinge zu denken, die er nicht vergessen konnte.
»Ich wollte mich gerade bei Dorothea melden«, sagte Daemon mit sanfter Stimme, »doch ich kann ein paar Minuten warten. Wenn du sie sehen musst, geh nur. Sie ist in der Regel nicht allzu gut gelaunt, nachdem ich bei ihr war.«
Kartane hatte das Gefühl, geohrfeigt worden zu sein. Daemon hasste ihn, hasste ihn seit Jahrhunderten aufgrund der Dinge, die er gesagt und getan hatte. Doch auch Daemon hatte nicht vergessen, und weil er sich erinnerte, gewährte er seinem jüngeren Cousin immer noch diesen letzten Rest an Höflichkeit und Mitgefühl.
Da Kartane kein Wort hervorbrachte, nickte er nur und eilte den Saal entlang.
Er ging nicht direkt in das Audienzzimmer, in dem Dorothea wartete, sondern stürzte in das erste leere Gemach, das er fand. Als er mit dem Rücken an der zugesperrten Tür lehnte, brannten ihm Tränen in den Augen und liefen sein Gesicht hinab, während er flüsterte: »Daemon.«
Man hatte Kartane als Kind nie wirklich erklärt, welche Stellung sein Cousin Daemon in der Familie innehatte, außer, dass sie sich von der seinen unterschied und Daemon unter ihm stand. Kartane war Dorotheas verwöhntes, privilegiertes Einzelkind gewesen und hatte über etliche Lehrer und Gouvernanten verfügt. Zahlreiche Dienstboten erfüllten ihm jede Laune. Für seine Mutter war er ein Juwel mehr in ihrer Krone gewesen, Besitz, mit dem sie sich herausputzen,
angeben und den sie aller Welt vorführen konnte.
Doch es waren nicht Dorothea oder die Hauslehrer oder Gouvernanten gewesen, zu denen Kartane als Kind gelaufen
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