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Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung

Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung

Titel: Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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jedoch, er hätte ihre letzten Worte nicht gehört.
    »Mikal geht achselzuckend darüber hinweg«, fuhr Sylvia fort, nachdem sie erneut einen großen Schluck von ihrem Glas genommen hatte. »Seiner Meinung nach darf sich jeder, der so viele interessante Dinge zu berichten hat, auch einmal täuschen, was Alltägliches betrifft. Er geht davon aus, dass sie einst wahrscheinlich einen Jungen namens Daemon kannte, dem sie dieselben wundervollen Geschichten erzählt hat.«
    Dazu hatte sie nie die Gelegenheit. Wir beide hatten ihn bereits verloren, als er in Mikals Alter war. »Aber?«
    »Die letzten paar Male, als Mikal sie besuchte, ermahnte sie ihn, vorsichtig zu sein.« Sylvia schloss die Augen und legte die Stirn in Falten, während sie sich konzentrierte. »Sie sagte, die Brücke sei sehr zerbrechlich, und dass sie weiterhin Stöcke schicken werde.« Nachdem sie die Augen wieder aufgeschlagen hatte, goss sie sich noch einen Brandy ein. »Manchmal hält sie Mikal einfach nur in den Armen und weint. Sie hortet Äste, die sie in jedem einzelnen Hof im Dorf gesammelt hat, in einem großen Korb in ihrer Küche und gerät außer sich, sobald ihnen jemand zu nahe kommt. Doch sie kann oder will weder Mikal noch mir sagen, weshalb diese Stöcke so wichtig sind. Ich habe jede Brücke in der Nähe von Halaway überprüfen lassen, selbst den kleinsten Steg, und sie sind alle in Ordnung. Ich dachte, vielleicht sagt Tersa dir ja mehr.«
    Würde sie es ihm sagen? Würde sie ihn das eine Thema anschneiden lassen, über das mit ihm zu reden sie sich bisher immer geweigert hatte? Einmal die Woche ging er sie für eine Stunde besuchen, und dann plauderte Tersa normalerweise über ihren Garten. Sie erzählte ihm, was sie zu Abend gegessen
hatte; zeigte ihm eine Handarbeit, an der sie gerade saß; sprach über Jaenelle. Aber sie weigerte sich, über ihren gemeinsamen Sohn zu reden.
    »Ich werde es versuchen«, meinte er leise.
    Sylvia stellte ihr leeres Glas auf dem Tisch ab und erhob sich leicht schwankend.
    Saetan kam hinter dem Schreibtisch hervor, legte eine Hand an ihren Ellbogen und geleitete sie zur Tür. »Du solltest nach Hause gehen und ein Nickerchen machen.«
    »Ich habe noch nie ein Nickerchen gemacht.«
    »Nach solch einer Menge Brandy wird dir nichts anderes übrig bleiben.«
    »Mein Körper wird das bisschen Alkohol im Nu verbrennen. « Sylvia bekam Schluckauf.
    »So, so. Ist dir aufgefallen, dass du mich vorhin Saetan genannt hast?«
    Sie drehte sich derart schnell um, dass sie gegen ihn fiel. Er mochte das Gefühl, von ihr berührt zu werden. Gleichzeitig beunruhigte es ihn, dass es sich so gut anfühlte.
    »Es tut mir Leid, Höllenfürst. Es tut mir Leid.«
    »Tut es das?«, fragte er mit leiser Stimme. »Mir nicht.«
    Sylvia starrte ihn an. Sie zögerte, ohne etwas zu sagen.
    Er ließ sie los.
    »Du gehst aus?«
    Jaenelle lehnte an der Wand gegenüber seiner Schlafzimmertür, einen Finger zwischen den Seiten eines Buches über die Kunst, um die Stelle zu markieren, die sie gerade las.
    Belustigt hob Saetan eine Braue. Für gewöhnlich waren es die Eltern, die darauf bestanden, informiert zu werden, wo sich ihr Nachwuchs herumtrieb, nicht umgekehrt. »Ich gehe Tersa besuchen.«
    »Warum? Du besuchst sie sonst immer an einem anderen Abend.«
    Er bemerkte die leichte Unruhe in ihrer Stimme, die leise Warnung. »Bin ich derart vorhersehbar?«, wollte er lächelnd wissen.

    Jaenelle erwiderte sein Lächeln nicht.
    Bevor Jaenelle selbst tragischerweise in den Abgrund gestürzt war – oder wo auch immer sie jene zwei Jahre verbracht haben mochte –, hatte sie sich ins Verzerrte Reich begeben und Tersa zurück zu der nebelhaften Grenze geführt, die Wahnsinn und gesunden Menschenverstand voneinander trennte. Weiter konnte oder wollte Tersa nicht gehen.
    Das Mädchen hatte ihr geholfen, ein Stück der Wirklichkeit wiederzugewinnen. Seitdem sie in unmittelbarer Nähe voneinander wohnten, half Jaenelle Tersa dabei, die Bruchstücke zu ergänzen, welche die Welt um sie her bildeten. Es waren kleine Dinge. Einfache Dinge. Bäume und Blumen. Das Gefühl von Lehm zwischen kräftigen Fingern. Die Freude an einem Teller Suppe und einer dicken Scheibe frisch gebackenen Brotes.
    »Sylvia war heute Nachmittag bei mir«, erklärte er langsam, während er versuchte, die Kälte zu verstehen, die von Jaenelle ausging. »Sie glaubt, dass Tersa von etwas aus der Fassung gebracht wurde. Deshalb habe ich mir gedacht, ich schaue einmal bei ihr

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