Die schwarzen Juwelen 02 - Dämmerung
vorbei.«
Jaenelles saphirblaue Augen waren so tief und unbewegt wie ein unergründlicher See. »Dräng dich nicht auf, wo man dich nicht aus freien Stücken willkommen heißt, Höllenfürst«, sagte Hexe .
Er fragte sich, ob sie wusste, wie viel ihre Augen verrieten. »Du würdest es vorziehen, wenn ich sie nicht besuche?«, fragte er respektvoll.
Ihre Augen nahmen einen anderen Ausdruck an. »Besuch sie, wenn du möchtest«, antwortete seine Tochter. »Aber dring nicht zu tief in ihre Privatsphäre ein.«
»Es ist kein Wein da.« Tersa öffnete und schloss Schränke, wobei ihre Verwirrung stetig zu wachsen schien. »Die Frau hat keinen Wein gekauft. Am vierten Tag der Woche kauft sie immer eine Flasche Wein, damit du etwas zu trinken hast. Sie hat keinen Wein gekauft, und morgen wollte ich ein Bild von meinem Garten malen und es dir zeigen, aber der dritte
Tag ist vorbei, und ich weiß nicht, wo ich es hingetan habe.«
Saetan saß an dem Küchentisch aus Kiefernholz, und sein Kummer lastete so schwer auf ihm, dass er das Gefühl hatte, sich nicht bewegen zu können.
Jaenelle gegenüber hatte er darüber gescherzt, vorhersehbar zu sein. Allerdings hatte er nicht geahnt, dass seine Vorhersehbarkeit ein Prüfstein für Tersa war, der für sie die Grenze zwischen den einzelnen Tagen markierte. Jaenelle hatte es gewusst und ihn trotzdem herkommen lassen, damit er diese Lektion selbst lernte.
Die Hände auf den Tisch gestützt, erhob er sich von seinem Stuhl. Jede Bewegung kostete ihn unendlich viel Anstrengung, doch schließlich erreichte er Tersa, die immer noch Schranktüren öffnete und vor sich hin murmelte. Nachdem er sie zu einem Stuhl am Tisch geführt hatte, setzte er einen Kessel auf den Ofen, durchforstete rasch die Schränke und machte ihnen Kamillentee.
Als er Tersas Tasse vor sie hinstellte, strich er ihr das zerzauste schwarze Haar aus dem Gesicht. Schon immer hatte ihr Haar ausgesehen, als ließe sie es nach dem Waschen im Wind trocknen, und als wären ihre Finger der einzige Kamm, den es je gekannt hatte. Seiner Meinung nach war es nicht der Wahnsinn, sondern die extreme Intensität ihrer Gefühle, die Tersa von den anderen Menschen absetzte. Er fragte sich, ob das einer der Gründe gewesen war, weswegen er Tersa ausgewählt hatte, nachdem er endlich jenem Pakt mit dem hayllischen Stundenglassabbat zugestimmt und sich bereit erklärt hatte, ein Kind zu zeugen. Damals hatte er sich für Tersa entschieden, die bereits gebrochen war und sich längst am Rande des Wahnsinns bewegte. In jener ersten Nacht hatte er ihr mehr als eine Stunde lang die Haare gebürstet. Er hatte ihr während der Woche, in der er mit ihr geschlafen hatte, jede Nacht die Haare gebürstet und es genossen, ihr Haar zwischen seinen Fingern und den sanften Widerstand der Bürste zu spüren.
Er ließ sich ihr gegenüber am Tisch nieder, die Hände an
seiner Tasse. »Ich bin früher als sonst gekommen, Tersa. Der dritte Tag ist noch nicht vorbei. Heute ist erst der zweite.«
Tersa runzelte die Stirn. »Der zweite? Du kommst nie am zweiten.«
»Ich muss mit dir sprechen. Bis zum vierten Tag wollte ich nicht warten. Am vierten komme ich wieder, um mir dein Bild anzusehen.«
Ihre goldenen Augen wirkten ein wenig klarer. Sie nippte an ihrem Tee.
Auf dem Kiefernholztisch stand lediglich eine kleine himmelblaue Vase mit drei roten Rosen.
Sanft berührte Tersa die Blütenblätter. »Der Junge hat sie mir gepflückt.«
»Welcher Junge?«, fragte Saetan leise.
»Mikal. Sylvias Sohn. Er kommt mich besuchen. Hat sie dir das nicht erzählt?«
»Ich dachte, du sprichst vielleicht von Daemon.«
Tersa schnaubte verächtlich. »Daemon ist doch kein Junge mehr. Außerdem ist er weit weg.« Ihre Augen verdüsterten sich und blickten in die Ferne. »Und auf der Insel gibt es keine Blumen.«
»Aber du nennst Mikal Daemon.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Manchmal ist es schön, so zu tun, als würde ich Daemon Geschichten erzählen. Jaenelle sagt, es ist nichts Schlimmes dabei, manchmal so zu tun, als ob etwas anders sei, als es ist.«
Ein eiskalter Schauder lief seinen Rücken hinab. »Du hast Jaenelle von Daemon erzählt?«
»Natürlich nicht«, erwiderte Tersa gereizt. »Sie ist noch nicht so weit, von ihm zu erfahren. Die Fäden sind noch nicht alle an ihrem Platz.«
»Welche Fäden …«
»Der Geliebte ist der Spiegel des Vaters. Der Bruder steht in der Mitte. Der Spiegel dreht sich und dreht sich und dreht sich. Blut. So viel
Weitere Kostenlose Bücher